Mütter in der Smart Kitchen / Mothers in the smart kitchen

Mütter sind high-tech Pioniere. Zu diesem Schluss kommt das Forschungsprojekt Cyborg Cook in seiner ersten wissenschaftlichen Veröffentlichung mit dem Titel „Cyborg Cooks: Mothers and the Anthropology of Smart Kitchens„. English version below

Digitalisierte Küchenarbeit in einer Smart Kitchen / Digital food work in a smart kitchen (Photo: Cyborg Cook)

Die meisten Küchen in Deutschland summen nur so vor lauter, zusehends digitaler, Haushaltstechnologien: Kühlschränke, Herde und Backöfen gehören zum Standardmobilar, doch auch Smartphones und andere digitale Helfer von der Waage bis zum Thermomix werden immer öfter beim Einkaufen, Zubereiten, Kochen oder Essen eingesetzt. Unsere Forschung zeigt: viele Küchen sind bereits vernetzt und teil-automatisiert und somit smart. Trotzdem werden Küchen in der öffentlichen Wahrnehmung eher selten mit technologischer Innovation assoziiert und schon gar nicht als smart wahrgenommen. Dies liegt auch daran, dass Küchen nach wie vor als weiblicher Raum wahrgenommen werden, während der Rest des Zuhauses im Rahmen der Digitalisierung und Smartifizierung zusehends als eher männlich dominiert gilt. Unser forschender Blick in die Küche birgt also eine wichtige neue Erkenntnis in Sachen Smart Home Forschung.

Anhand von Beispielen aus dem alltäglichen Leben mittelständischer Familien in Deutschland wird in unserer Veröffentlichung gezeigt, dass insbesondere Haushalte, in denen Kinder leben, vermehrt auf digitale Technologien setzen, um die Arbeit in der Küche zu erleichtern. Da in diesen Haushalten die meiste Arbeit rund um die tägliche Ernährung nach wie vor hauptsächlich von Frauen ausgeübt wird, so das Argument, sollten Mütter auch als die technologischen Pionierinnen wahrgenommen werden, die sie im Alltag längst sind. Von der synchronisierten Einkaufsliste, der smartphone app fürs online shopping bis hin zu digitalen Küchenrobotern wie dem Thermomix kommen zahlreiche digitale und vernetzte Dienste täglich zum Einsatz. Nur weil diese Arbeit oft im Privaten und von Müttern und anderen Fürsorgenden geleistet wird, sollten wir das Innovationspotential hier nicht vernachlässigen. Im Gegenteil, Mütter sollten endlich als zentrale Akteure soziotechnischen Wandels anerkannt werden. Gleichzeitig, so das Fazit der Veröffentlichung, sind unbedingt mehr Forschung und Erkenntnisse nötig, um die Digitalisierung und Smartifizierung alltäglicher Ernährungspraktiken in weniger priviligierten Familienhaushalten zu untersuchen.

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Mothers are high-tech pioneers. This is the conclusion reached by the Cyborg Cook research project in its first scientific publication entitled ‘Cyborg Cooks: Mothers and the Anthropology of Smart Kitchens’.

Most kitchens in Germany are buzzing with (digital) household technologies: fridges, cookers and ovens are standard appliances, but smartphones and other digital appliances from scales to the Thermomix are increasingly being used for shopping, preparing, cooking and eating. Our research shows that many kitchens are already networked and partially automated and therefore smart. Nevertheless, in the public perception kitchens are rarely associated with technological innovation and are certainly not perceived as smart. This is also due to the fact that kitchens are still perceived as a female space, while the rest of the smart home is increasingly considered to be male-dominated. Our study of domestic kitchens in Germany therefore harbours an important new insight into smart home research.

Using examples from the everyday lives of middle-class families in Germany, our publication shows that particularly households with children are increasingly relying on digital technologies to make everyday food work easier. As most of this work is still mainly carried out by women, the argument goes, mothers should also be recognised as the technological pioneers that they are. From synchronised shopping lists and smartphone apps for online shopping to digital kitchen robots such as the Thermomix, numerous digital and networked appliances are used on a daily basis. Just because this work is often done in private and by mothers and other carers, we should not neglect the potential for innovation here. On the contrary, mothers should finally be recognised as key players in socio-technical change. At the same time, the publication concludes that more research and insights are needed to investigate the digitalisation and smartification of everyday food practices in less privileged family households.

Translation into English based on DeepL

Digitale Praktiken mit allen Sinnen erforschen / How to study digital practices with and through all senses

Digitale Praktiken beim Kochen: die Bedienung eines Thermomix / Digitale practices at work: interaction with a kitchen robot (Foto: Cyborg Cook)

English version below

Kann man Digitalität spüren? Wie erforscht man digitale Praktiken wie zum Beispiel beim Kochen? Und warum sind solche Fragen überhaupt wichtig? Digitalität und Digitalisierung sind mittlerweile gängige Begriffe, die wir alle schnell in den Mund nehmen um Beziehungen zwischen Menschen und Objekten oder bestimmte Prozesse zu beschreiben, ohne uns lange Gedanken darüber zu machen was sie bedeuten. Viele von uns wären sich spontan vermutlich einig, dass ‚digital‘ etwas technisches beschreibt, eine digitale Uhr zum Beispiel, oder virtuelle, computergenerierte Daten. Eine weitere, weniger gebräuchliche Bedeutung von ‚digital‘ beruht jedoch auf dem Lateinischen ‚digitalis‘ und meint ‚zum Finger gehörig‘, die Fähigkeit zu spüren wird hier also explizit. Dieser Beitrag zielt weniger darauf ab Begrifflichkeiten und Bedeutungen zu definieren, als vielmehr zu klären wie Digitalität und Digitalisierung im Alltag erforschbar gemacht werden können. Tatsächlich wird in diesem Beitrag eine Methode vorgeschlagen, die es erlaubt Digitalität für Forschende erlebbar zu machen und es somit ermöglicht alltägliche digitale Praktiken zu erforschen: die teilnehmende Wahrnehmung. Im Rahmen unseres Cyborg Cook Projekts hat sich dieser selbst entwickelte Ansatz als sehr vorteilhaft erwiesen.

Eine schnelle Antwort auf die einleitenden Fragen lautet: Ja, Digitalität kann man spüren, digitale Praktiken kann man hautnah erforschen. Und das ist ein Glück, denn Gesellschaften und Alltage sind vom Digitalen längst tief durchdrungen. Während es laut einer ARD/ZDF Studie vor 20 Jahren für viele Bürger noch denkbar war, nicht-digital also v.a. offline zu leben und zu arbeiten, so ist es heute für einen Großteil von uns kaum mehr vorstellbar ohne Smartphone oder Tablet applications (apps) durch den Tag zu gehen. Unsere spürenden Finger leisten dabei eine kaum zu unterschätzende Arbeit. Alle, die ein Smartphone nutzen (immerhin 81,1% verteilt über alle Altersgruppen in Deutschland) werden dies aus eigener Erfahrung nachvollziehen können. Trotzdem werden alltägliche Praktiken wie die Nutzung des Smartphones zum online-shopping oder der Rezeptsuche dabei immer auch als irgendwie abstrakt wahrgenommen, als nicht greifbar. Die Effekte unseres Klickens oder Scrollens passieren schließlich digital bzw. online. Was sind digitale Praktiken denn anderes als aneinandergereihte Klicks?

Tatsächlich könnte man viele unserer digitalen Praktiken als ganz normale sozio-kulturelle Praktiken bezeichnen, die viele von uns regelmäßig tun: Einkaufen, Essen, Freundschaften schließen und pflegen, Lesen und Wissen teilen oder den Alltag organisieren. Hierbei kommt je nach Tätigkeit eine Reihe unserer Sinneswahrnehmungen zum Einsatz, wir verlassen uns auf unser Sehvermögen, unser Tastvermögen und Gehör und natürlich auf unseren Geschmackssinn, aber ebenso auf unsere Erinnerung und unsere Gefühle. Die Wichtigkeit des Sehvermögens leuchtet bei der Nutzung digitaler Dienste vielleicht am Ehesten ein. Doch digitale Praktiken sind von deutlich umfassenderer Sinneswahrnehmung durchdrungen. Beispielsweise beim online-shopping benutzen wir nicht nur unsere Finger zum Klicken, sondern auch andere Sinnesorgane und Sinneswahrnehmungen: Um zu entscheiden welches Gericht ich online bestelle, schaue ich mir die online-Auswahl an, überlege aber auch wie es schmecken würde und ob und wie die Anzahl, Größe oder Zubereitungsart zu meiner Planung passen. Dabei spielt auch eine Rolle welche Erfahrungen ich bisher gemacht habe oder für wen ich das Essen bestelle. Auch bei anderen digitale Praktiken, wie zum Beispiel die Bedienung eines digitalen Küchenroboters wie dem Thermomix, klicke ich zwar viel mit dem Finger und das Rezept liegt digital und speziell für die Maschine kodiert vor. Gleichzeitig rieche ich die verarbeiteten Lebensmittel, lausche dem Gerät und plane das ganze zeitlich und mit Berücksichtigung vielfältiger Faktoren. Um diese digitalen Praktiken sowie wichtige zugrundeliegende Entscheidungen zu erforschen, ist ‚teilnehmende Wahrnehmung‘ sehr hilfreich.

Teilnehmende Wahrnehmung baut auf der zentralen ethnografischen Methode der teilnehmenden Beobachtung auf, erweitert sie aber durch Betonung unserer multisensorischen Wahrnehmung. Denn auch wenn Beobachten – und das visuelle Wahrnehmen insgesamt – sehr wichtig in unserer Gesellschaft und für die ethnografische Forschung sind, so spielen alle anderen körperlichen Sinne auch eine wichtige Rolle in dem was Menschen wie, wann, wo und warum tun. Wir fühlen mit dem Finger, der Hand, spüren Temperaturen, riechen und hören wenn ein Gericht fertig ist. Oftmals sind es mehrere Sinne gleichzeitig, die alltägliche Entscheidungen wie eben rund um die Ernährung beeinflussen, warum wir dieses oder jenes einkaufen und verzehren oder eben nicht. Dies gilt sowohl für analoge wie auch für digitale Praktiken. Für uns Forschende ermöglicht die teilnehmende Wahrnehmung, also die bewusste Wahrnehmung und Nutzung aller körperlichen Sinne zur Erforschung alltäglicher Tätigkeiten, interessante Einblicke in die Ausführung und Bedeutung bestimmter Praktiken.

Tatsächlich nutzen die meisten Ethnograf*innen all ihre Sinne beim Erforschen von Alltagspraktiken, doch werden diese nur selten zur Analyse herangezogen. Mit anderen Worten, der Geruch oder die Temperatur, die während einer Handlung von allen Handelnden wahrnehmbar sind, werden eher selten genutzt, um diese Handlung zu deuten. Die teilnehmende Wahrnehmung als Methode zielt allerdings nicht nur darauf ab mit allen Sinnen wahrzunehmen und zu forschen, sondern diese auch in die Analyse mit einzubeziehen. Meine teilnehmende Wahrnehmung in einer Forschungssituation, beispielsweise beim häuslichen Kochen, erlaubt mir nicht nur die einzelnen Schritte des Kochens mit allen Beteiligten zu riechen und zu hören oder das gekochte gemeinsam zu schmecken. In Verbindung mit Gesprächen rund um die Tätigkeit erlaubt dieser Ansatz auch zu verstehen welche Entscheidungen hierzu geführt haben und warum. Dies ist wichtig, um zum Beispiel zu verstehen warum Menschen in bestimmten Situationen eher Fertigessen konsumieren als selbst kochen.

Aber vor allem erlaubt die teilnehmende Wahrnehmung das Erforschen von Zeitlichkeit. Dies ist zur Analyse von alltäglichen Praktiken wie dem Kochen ganz besonders wichtig. Denn ein wichtiger Grund, warum viele Menschen auf digitale Technologien im Alltag zurückgreifen ist die Zeit, v.a. die gefühlt immer knapper werdende Zeit, wie eine Marktforschungsstudie in Deutschland kürzlich zeigte. Unsere ethnografische Forschung im Rahmen des Cyborg Cook Projekts hat verdeutlicht, dass die teilnehmende Wahrnehmung als Methode und analytischer Ansatz sehr geeignet ist, um sowohl die subjektive Wahrnehmung von Zeit unter Köch*innen, als auch die tatsächlich messbare Zeitlichkeit von Alltagspraktiken zu erforschen. Dabei ergeben sich unglaublich spannende Ergebnisse. Welche dies sind, wird bald auf dem Projektblog beschrieben.

Can you feel digitality? How do you explore digital practices such as cooking? And why are such questions important at all? Digitality and digitalization are now common terms that we all use to describe relationships between people and objects or certain processes without giving much thought to what they mean. Many of us would probably spontaneously agree that ‚digital‘ describes something technical, a digital watch for example, or virtual, computer-generated data. However, another, less common meaning of ‚digital‘ is based on the Latin ‚digitalis‘ and means ‚belonging to the finger‘; the ability to sense becomes explicit here. This article aims less to define terms and meanings than to clarify how digitality and digitalization can be explored in everyday life. In fact, this article proposes a method that makes it possible for researchers to experience digitality and thus explore everyday digital practices: participant perception. In the context of our Cyborg Cook project, this self-developed approach has proven to be very beneficial.

A quick answer to the introductory questions is: Yes, digitality can be felt, digital practices can be tangibly explored. And that is fortunate, because societies and everyday life have long been deeply permeated by the digital. According to an ARD/ZDF study, 20 years ago it was still conceivable for many people to live and work non-digitally, i.e. mainly offline, but today it is nearly impossible for the majority of us to go through the day without a smartphone or tablet applications (apps). Our sensing fingers are central to these daily digital practices. Anyone who uses a smartphone (81.1% across all age groups in Germany) will be able to understand this from their own experience. Nevertheless, everyday practices such as using a smartphone for online shopping or searching for recipes are always perceived as somehow abstract, as intangible. After all, the effects of our clicking or scrolling happen digitally or online. What are digital practices other than a series of clicks?

Yet, many digital practices could be described as normal socio-cultural practices that we do on a regular basis: shopping, eating, making and maintaining friendships, reading and sharing knowledge or organizing our everyday lives. Depending on the activity and available choice, a number of our sensory perceptions come into play: we rely on our sight, touch, hearing and, of course, our sense of taste, but also on our memory and our emotions. The importance of sight is perhaps the most obvious when using digital services. However, digital practices are permeated by multiple ways of sensing. When shopping online, for example, we not only use our fingers to click, but also our other bodily senses: To decide which meal to order online, I look at the online selection, but also consider how it would taste and whether and how the quantity, size or type suit my planning. Previous experiences or who I am ordering the food for also play a role. Even with other digital practices, such as a digital kitchen robot like the Thermomix, I do a lot of clicking with my finger and the recipe is available digitally and coded for the machine. At the same time, I smell the processed food, listen to the appliance and plan the whole thing in terms of time and taking a variety of factors into account. To explore these digital practices and their underlying decisions, ‚participant perception‘ is very useful.

Participant perception builds on the central ethnographic method of participant observation, but extends it significantly by emphasizing the research participants‘ as well as the researcher’s multisensory perception. Because even though this engaged form of observation – and visual perception as a whole – is central to ethnographic research, all the other bodily senses also play an important role in studying what people do, how, when, where and why. For instance, we feel with our fingers, our hands, sense temperatures, smell and hear when a dish is ready. Often, several bodily senses inform each other and this influences everyday decisions around food, about why we buy and eat this or that or why not. This applies to both analog and digital practices. For us researchers, participant perception – as the awareness and use of all our bodily senses in studying an everyday activity – enables us to place insights gleaned from interviews in context.

In fact, most ethnographers use all their senses when researching everyday practices but rarely make use of them for analysis. In other words, the smell or temperature, which can be perceived by all participants during an activity, are rarely used to interpret it. However, participant perception as a method not only aims to perceive and research with all the senses, but also to include them in the analysis. My participant perception in a research situation, for example when joining in cooking at somebody else’s home, not only allows me to smell and hear the individual steps of cooking with everyone involved or to taste what has been cooked together. In combination with informal conversations about the activity, this approach also allows me to understand which decisions led to this and why. This is important, for instance, if we want to understand why people in certain situations consume ready-made food rather than cook from scratch.

But above all, participant perception allows us to explore temporality. This is particularly important for analyzing everyday practices such as cooking. After all, an important reason why people who can afford to resort to digital technologies in everyday life is time, especially the feeling that time is becoming increasingly scarce, as a recent ethnographic study in the United States shows. The ethnographic research for the Cyborg Cook project has made it clear to us that participant perception is a very suitable method and analytical approach for exploring both the subjective perception of time among cooks and the actual temporality of everyday practices. The results are incredibly exciting and will be described soon on the project blog.

First draft translation into English provided by DeepL

Routine in der Smart Kitchen? | Routines in the Smart Kitchen?

Ein Jahr lang hat das Forschungsprojekt Cyborg Cook das alltägliche Kochen in „Smarten“ Küchen erforscht und dabei Menschen in ihrem Zuhause besucht, Einkäufe begleitet, Nahrungszubereitung beobachtet und oft auch mitgegessen. Diese ethnographischen Fallstudien lieferten spannende Ergebnisse und es zeigte sich: Ob digitalisiert oder nicht, Wohnverhältnisse sind noch nie alltäglich gewesen. Doch was bedeutet das konkret? Und wie nutzen Ethnograph*innen diese Ergebnisse? Dieser Blog-Eintrag fasst einen Vortrag zum Thema Smart Kitchen zusammen, den Dr. Katharina Graf gemeinsam mit einem Kollegen am 17. November 2023 auf der Jahrestagung der DGS Frauen- und Geschlechterforschung in Osnabrück hielt.

The research project Cyborg Cook spent one year researching everyday cooking in „smart“ kitchens: visiting people in their homes and accompanying them shopping, observing food preparation and often eating with them. These ethnographic case studies delivered exciting results and showed that, whether digitalised or not, living conditions have never been just a routine. But what does that mean concretely? And how do ethnographers use these results? This blog entry summarises a lecture on the topic of smart kitchens that Dr Katharina Graf gave together with a colleague on November 17, 2023 at the annual conference of the DGS Women’s and Gender Studies in Osnabrück. Read the English version below!


Der Begriff „Alltag“ suggeriert Routinen: Gleichförmig wie alle Tage verläuft das Leben. Spätestens die Corona-Pandemie hat uns allen aber deutlich vor Augen geführt wie instabil, ja fragil alltägliche Wohnverhältnisse sind. Die seitdem rasant steigenden Lebenshaltungskosten tun ihr Übriges. Insbesondere routiniert scheinende Abläufe und Verhältnisse des Wohnens, wie z.B. Nahrungszubereitung oder auch Energienutzung, wurden durch mehrfache Lockdowns und Preissteigerungen (oftmals unfreiwillig) infrage gestellt und neu verhandelt. Doch Alltage sind auch außerhalb von Krisen instabil und sie sind, ja mussten es immer schon gewesen sein. Denn Alltage und sogenannte Routinen werden ständig neu verhandelt.

Diese Verhandlungen oder Anpassungen sind zentrales Interesse ethnographischer Forschung, denn sie haben oft experimentellen Charakter. Sie finden nicht nur zwischen diversen miteinander lebenden Menschen statt, sondern auch zwischen Menschen und ihren technischen Geräten, zwischen verschiedenen Geräten, sogar zwischen Geräten und weiteren materiellen Gegebenheiten und Infrastrukturen. Ziel jeder Verhandlung ist es, ein Gefühl von Alltag herzustellen – bis es erneut nötig wird, nachzuverhandeln.

Vor allem zwei Erkenntnisse aus dem Projekt werden hier aufgegriffen: Erstens, alltägliche Interaktionen zwischen Haushaltsmitgliedern und digitalen Küchenmaschinen sind gar nicht so alltäglich wie oftmals angenommen und waren dies auch niemals. Zweitens, diese Interaktionen werden vor allem von Frauen initiiert, entgegen der allgemeinen Annahme, dass Smart Home Technologien vor allem männlich bestimmt seien.

Im Smart Home – also einem Wohnumfeld, welches unter Einsatz von technischen Systemen sowie teil-automatisierten und vernetzten Verfahren gehandhabt wird – werden diese Verhandlungen ganz besonders deutlich sichtbar. Hier sind Alltage kontinuierlich im Werden, aber nie wirklich dauerhaft vorhanden. Gleichermaßen zeigen historisch-feministische Studien zur Technisierung von Haushalten seit Jahrzehnten, dass Technik-Verhältnisse kontinuierlich in Verhandlung begriffen sind.

Als Ethnograf*innen präsentieren wir Forschungsergebnisse in sogenannten „Vignetten“. Eine ethnographische Vignette ist ein stilistisches Mittel, um Forschungsergebnisse anhand von Erfahrungen im Forschungsfeld zu verdeutlichen. Die Vignette präsentiert eine komplexe und alltagsnahe Situation in kurzen Geschichten in Text-, Audio- oder auch Videoform. Aus dieser so beschriebenen Situation heraus können Denk-, Verhaltensweisen und Interaktionen der Forschungsteilnehmenden analysiert werden. In der Alltagssprache würde man Vignetten vielleicht als „Beispielssituation“ bezeichnen.

Im ersten Beispiel, bzw. in der ersten Vignette, geht es um die Nutzung des Smartphones beim Lebensmitteleinkauf, hier aus Sicht der Projektleiterin beschrieben:

Mirko und seine Frau Tessa nutzen eine synchronisierte Einkaufsliste. Die Einkaufsliste wird von beiden zu unterschiedlichen Tageszeiten mit fehlenden Lebensmitteln und Artikeln des alltäglichen Gebrauchs gefüllt. Per Klick kann die Liste live beim Einkaufen abgehakt werden, auf beiden Smartphones wird der Gegenstand dadurch automatisch gelöscht. Soweit zur Theorie.

In der alltäglichen Praxis kommt es jedoch kontinuierlich zu kleinen Anpassungen. So auch als ich eines Tages Mirko beim Einkaufen im Supermarkt begleitete. Direkt beim Eingang in den Supermarkt zückte er sein Smartphone und studierte die Einkaufsliste. Ich bat ihn, seine Gedanken für mich zu verbalisieren. Er erläuterte, dass er in diesem Laden nicht durchgängig LTE habe, wodurch die App nicht kontinuierlich synchronisiere. Er wisse mittlerweile „so ungefähr“, in welchen Regalreihen er Verbindung habe und in welchen nicht. Da es schon später Nachmittag sei, mache er sich Sorgen, dass Tessa auf dem Rückweg von der Arbeit in Frankfurt spontan einkaufen gehen könnte. Er wolle vermeiden, dass sie etwas doppelt einkauften. Also bliebe er hier kurz stehen, um sich zu vergewissern, dass die Liste aktualisiert sei.

Außerdem, fügte Mirko mit einem Blick vom Smartphone ins Regal voller Eier vor ihm, an, müsse er jetzt online nachschauen „was genau regional eigentlich hier heißt“. Das mache er immer dann, wenn er die Namen der Anbieter nicht zuordnen könne, so wie an diesem Tag. Er gab den Namen des billigsten der drei Anbieter regionaler Eier in die Suchmaschine seines Smartphones ein und vergewisserte sich, dass die Eier nicht von allzu weit herkommen. Bingo! Auf Nachfrage wie er „regional“ verstehe, nannte Mirko keine Kilometerzahl, erklärte aber, dass zwar „regional“ auf einer Verpackung draufstehe, „die dann aber doch aus Holland kommen“. Für ihn keine Option: „Eier müssen schon hier aus der Ecke kommen, aber ich will auch keine überteuerten Bio-Eier kaufen“.

Dieses eher unkonventionelle Beispiel bestätigt was Forscherinnen wie Ruth Schwartz Cowan (1983) bereits anhand von früheren Küchentechnologien wie dem elektrischen Herd oder der Mikrowelle zeigten: nämlich, dass neue Haushalts- und Küchentechnologien – wozu das Smartphone zählt – kontinuierlich Reflektionen aufseiten der Hausfrau (oder des Hausmannes) erfordern. Selbst routiniert wirkende Mikro-Praktiken wie das Einkaufen (und die Auswahl von Eiern) erfordern im Umgang mit Technik körperliche und gedankliche Anpassungsarbeit.

Während dieses Beispiel vermuten lässt, dass die alltägliche Arbeit der Nahrungsversorgung im Smart Home ungeschlechtlich ist, wird jedoch mit dem nächsten Beispiel das Gegenteil aufgezeigt. Denn von Ausnahmen wie diesen abgesehen, ist die tägliche Arbeit der Nahrungsversorgung nach wie vor Aufgabe von Frauen, insbesondere in Haushalten mit Kindern. Dies hat sich seit Schwartz Cowans Beobachtungen nicht geändert: im Laufe der Industrialisierung des privaten Wohnraums in Europa oder Nordamerika wurde zwar die häusliche Arbeit von (Ehe)Männern und Kindern dank immer neuer Technologien wegrationalisiert, die der Frau jedoch nicht. Diese wurde vielmehr mit jeder neuen Technologie re-organisiert.

Im Kontext des Smart Homes ist es trotz dieser Erkenntnis wichtig hervorzuheben, dass Frauen – insbesondere Mütter – auch als technologische Pionierinnen wahrgenommen werden sollten. Dies betrifft nicht nur die Nutzung des Smartphones beim Einkaufen, Zubereiten oder Verzehren von Lebensmitteln, sondern auch Küchenmaschinen wie den Thermomix. Denn insgesamt waren in der Forschung Frauen (v.a. Mütter) digitalen Küchentechnologien gegenüber aufgeschlossener und im Umgang kompetenter als Männer; und zwar sowohl in Familienhaushalten, als auch in Haushalten ohne Kinder.

Der Thermomix (eine digitale und internetfähige Küchen- und Kochmaschine, die auch per App mit tausenden Rezepten versorgt wird) ist ein gutes Beispiel hierfür: Von der Kaufentscheidung, der Anschaffung und Installation bis hin zur Nutzung und Wartung sind Frauen deutlich involvierter und kenntnisreicher. In den betroffenen Haushalten wurde die Maschine mit der Erwartung angeschafft, dass die alltägliche Nahrungszubereitung durch sie schneller ginge, ja sogar routinierter werde. Doch Inge, Ehefrau und Mutter von drei Kindern, drückt es so aus: „Es ist irgendwie witzig: ich koche nicht weniger seit wir den Thermomix besitzen. Ich koche mehr!“ Diese Veränderungen wurden trotzdem als positiv wahrgenommen. Inge „koch[t] ja eigentlich gern“. Außerdem eliminiere die Maschine das Risiko: „es kann ja nichts wirklich schiefgehen“. So ermögliche es die Maschine „immer wieder etwas Neues auszuprobieren“. Auch zwei Jahre nach Anschaffung des Thermomix, so Inge, habe sie noch nicht alle Funktionen und Möglichkeiten erschöpft. Andere Köchinnen betonten ebenfalls, dass das Kochen und Ausprobieren neuer Rezepte mit dem Thermomix und via App einfach Spaß mache.

Abschließend sei also mindestens zweierlei festgehalten: digitale Küchenmaschinen wie das Smartphone oder der Thermomix re-organisieren alltägliche Praktiken der Nahrungsversorgung, ähnlich wie technologische Innovationen im häuslichen Umfeld seit mehr als 100 Jahren, und stellen dabei seit jeher die Stabilität von Alltag infrage. Gleichzeitig tragen smarte Küchentechnologien auch dazu bei diese Praktiken ganz bewusst zu ent-routinisieren. In einer gesellschaftlich nach wie vor geschlechtlichen Praxis wie der Nahrungsversorgung ist es daher ebenso wichtig, auch die positive Wahrnehmung der Forschungsteilnehmerinnen hervorzuheben, die die digitalen Möglichkeiten den Koch- und Essalltag anzupassen und zu verändern täglich nutzen und vor allem schätzen.


The term „everyday life“ suggests routines: life is the same every day. However, the COVID-19 pandemic has made us realise just how unstable, even fragile, everyday life is. The rapidly rising cost of living since then has done the rest. In particular, seemingly routine processes and living conditions, such as food preparation or the use of energy, have been called into question and renegotiated (often involuntarily) by repeated lockdowns and price increases. But everyday life is also unstable outside of crises and, indeed, always has been. Because everyday life and so-called routines are constantly being renegotiated.

These negotiations or adaptations are a central interest of ethnographic research, as they often have an experimental character. They take place not only between various people living together, but also between people and their technical devices, between different devices, or between devices and other material conditions and infrastructures. The aim of every negotiation is to create a sense of everyday life – until it becomes necessary to renegotiate again.

Below we share two insights from the project: First, everyday interactions between household members and digital kitchen machines are not as commonplace as is often assumed and never have been. Secondly, interactions with new technologies are primarily initiated by women, contrary to the general assumption that smart home technologies are rather male-dominated.

In the smart home – i.e. a domestic environment that is managed using technical systems and partially automated and networked processes – these negotiations are particularly visible. Here, everyday life is constantly in the making, but never really permanent. Similarly, historical-feminist studies on the mechanisation of households have shown for decades that technological relations are constantly being negotiated.

As ethnographers, we present research findings in so-called „vignettes“. An ethnographic vignette is a stylistic means of illustrating research results based on experiences in the research field. The vignette presents a complex and everyday situation in short stories in text, audio or video form. The situation described in this way can be used to intuitively analyse patterns of thought, behaviour and, in particular, interactions of the research participants.

The first example, or the first vignette, is about the use of smartphones when grocery shopping, described here from the perspective of the project leader:

Mirko and his wife Tessa use a synchronised shopping list. The shopping list is filled by both of them at different times of the day with missing grocery and everyday items. The list can be ticked off at the click of a button while shopping, which automatically deletes the item on both smartphones. So much for the theory.

In everyday practice, however, small adjustments are constantly being made. This was the case one day when I accompanied Mirko to the supermarket. As soon as he entered the supermarket, he pulled out his smartphone and studied the shopping list. I asked him to verbalise his thoughts for me. He explained that he didn’t always have LTE in this shop, which meant that the app didn’t synchronise continuously. He knew „roughly“ which rows of shelves had a connection and which did not. As it was already late afternoon, he was worried that Tessa might spontaneously go shopping on her way back from work in Frankfurt. He wanted to avoid them buying something twice. So he stopped here briefly to make sure the list had been updated.

What’s more, Mirko added, glancing from his smartphone to the shelf full of eggs in front of him, he quickly had to look online to see „what exactly regional actually means here“. He explained that he always does this when he can’t recognise the names of the suppliers, as he did that day. He typed the name of the cheapest of the three regional egg suppliers into the search engine on his smartphone and made sure that the eggs didn’t come from too far away. Bingo! When asked how he understood „regional“, Mirko didn’t give a number of kilometres, but explained that although it says „regional“ on the packaging, „they do come from Holland“. Not an option for him: „Eggs have to come from around here, but I don’t want to buy overpriced organic eggs either“.

This rather unconventional example confirms what researchers such as Ruth Schwartz Cowan (1983) have already shown regarding earlier kitchen technologies such as the electric cooker or the microwave: namely that new household and kitchen technologies – which include the smartphone – require continuous reflection on the part of the housewife (or househusband). Even seemingly routine micro-practices such as shopping (and choosing eggs) require physical and mental adjustment when dealing with technology.

While this example suggests that the everyday work of providing food in the smart home is ungendered, the next example shows the opposite. Apart from exceptions like this, the day-to-day work of providing food is still the task of women, especially in households with children. This has not changed since Schwartz Cowan observations: in the course of the industrialisation of private living space in Europe or North America, the domestic work of (married) men and children has been rationalised away, thanks to ever new technologies, while that of women has not. Rather, it was reorganised with each new technology.

Despite this fact, it is important to emphasise that women – especially mothers – should also be perceived as technological pioneers. This applies not only to the use of smartphones when shopping, preparing or eating food, but also to kitchen appliances such as the Thermomix. Overall, this research shows that women (especially mothers) were more open to digital kitchen technologies and more competent in their use than men, both in family households and in households without children. The next vignette illustrates this.

The Thermomix (a digital and internet-enabled kitchen and cooking robot that is also supplied with thousands of recipes via an app) is a good example of this: From the purchase decision, acquisition and installation through to use and maintenance, women are significantly more involved and knowledgeable. In the households concerned, the machine was purchased with the expectation that it would speed up everyday food preparation and even make it more routine. But Inge, wife and mother of three, puts it this way: „It’s kind of funny: I haven’t cooked less since we got the Thermomix. I cook more!“ These changes were nevertheless perceived as positive. Inge „actually likes to cook“. The machine also eliminates the risk: „nothing can really go wrong“. The machine makes it possible to „always try something new“. Even two years after purchasing the Thermomix, Inge says she still hasn’t exhausted all the functions and possibilities. Other cooks also emphasised that cooking and trying out new recipes with the Thermomix and via the app is simply fun.

In conclusion, at least two things should be noted: digital kitchen appliances such as the smartphone or the Thermomix re-organise everyday food supply practices, similar to technological innovations in the home for more than 100 years, and have always questioned the stability of everyday life. At the same time, smart kitchen technologies are also helping to deliberately de-routinise these practices. In a socially still gendered practice such as food provision and preparation, it is thus important to emphasise the positive perception of our research participants, who use and above all appreciate the digital possibilities to adapt and change everyday cooking and eating on a daily basis.

Performing Cyborgs? Forschungskommunikation für und mit der Öffentlichkeit

Schauspielerische Interaktion mit einer digitalen Küchenmaschine / (Inter)acting with a digital kitchen machine, Foto: Peter Kiefer

See English version below

Am 03. und 10. November 2023 fanden zum nahenden Projektabschluss unsere Veranstaltungen „Cyborg Cooks in Frankfurter Küchen“ statt. In historischer Umgebung des mayhauses belebten das Forschungsteam, zwei Schauspieler*innen und ein Thermomix erste Ergebnisse der ethnographischen Studie „Cyborg Cook: häusliche Nahrungszubereitung im digitalen Zeitalter“. In zwei ausverkauften Abendveranstaltungen erfuhren die insgesamt 70 Besucher*innen in einer multisensorischen Aufführung Forschung fernab von Redepult und langen Texten und ergründeten die Frage: Wer kocht hier eigentlich?

Denn das war auch eine der zentralen Fragen des Forschungsprojekts gewesen. Durch das unkonventionelle Programm wollten wir eine möglichst breite Öffentlichkeit erreichen, aber auch die Mehrschichtigkeit des Projekts erfahrbar machen. Zudem war es uns wichtig, in Austausch mit den Besucher*innen treten zu können. Und der bestmögliche Fall traf eine – alle drei Ziele haben sich erfüllt!

Wir haben ein durchmischtes Publikum jeden Alters willkommen geheißen, von 3 bis 80 Jahren: Forschungsteilnehmende und ihre Familien, Nachbar*innen aus anderen Mayhäusern, Interessierte und Studierende, Vertreter*innen der Frankfurter Museen und der ernst-may-gesellschaft, aber auch Kolleg*innen aus der Wissenschaft sowie Freunde. Das war auch möglich dadurch, dass wir für die Veranstaltung drei Slots pro Abend anboten: In Kleingruppen führten wir die Besucher*innen für jeweils eine Stunde durch das Programm.

Die ernst-may-gesellschaft öffnete dafür außerhalb von Besichtigungen und Führungen die Türen ihres Museums in der Frankfurter Römerstadt, dem mayhaus. Sie bot uns damit eine Kulisse, die von sich aus schon ein Publikumsmagnet ist und den historischen Aspekt des Forschungsprojekts sichtbar machen sollte: Herzstück des Reihenhauses aus den 1920er Jahren ist die berühmte Frankfurter Küche, ein Vorläufer industriell-geplanter Einbauküchen. 

Warum das alles? Entworfen wurde die Frankfurter Küche von der Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky im Rahmen des sozialen Wohnungsbauprogramms der Stadt Frankfurt unter Leitung von Ernst May. Dazu beobachtete Schütte-Lihotzky Hausfrauen bei der Arbeit und zählte deren Schritte. So wollte sie die effizienteste Anordnung der Küchenmodule herausarbeiten. Sie übertrug damit ein System aus der Industrie auf den Haushalt, der sogenannte Taylorismus, nach dem vor allem Fabriken entworfen wurden. Ähnlich verhält es sich heute mit digitalen Küchenmaschinen wie dem Thermomix: Ihre automatisierte Funktionsweise entspricht der großer Küchenmaschinen in Lebensmittelfabriken, nur in einem kleinen Maßstab.

Das mayhaus übersetzte sozusagen allein durch seine Materialität den vielschichtigen Zusammenhang zwischen technologischer und gesellschaftlicher Entwicklung und Alltagsleben, der auch im Cyborg Cook Projekt untersucht wurde – zumindest für uns Forschende. Damit der Zusammenhang auch für alle anderen klarer werden konnte, gab es im Austausch zwischen Besucher*innen und der Projektleiterin Katharina Graf eine Einführung ins Thema und in die Forschung. Im Anschluss fand die multisensorische Aufführung im Esszimmer und der Frankfurter Küche des Hauses statt.

Uns war wichtig in der Veranstaltung keine top-down Wissensvermittlung zu betreiben. Tatsächlich war der Austausch mit den Besucher*innen in Kleingruppen ein zentrales Element und wir erfuhren viel Interessantes. Zum Beispiel, dass bis auf eine Ausnahme niemand der Besucher*innen einen Thermomix besaß, trotz der zunehmenden Verbreitung des Geräts in den beforschten Haushalten. Dafür kam das Smartphone aber oft als Küchengerät zum Einsatz, auch wenn es nicht als solches wahrgenommen wurde. Zudem gaben fast alle männlichen Besucher an, selbst zu kochen. Eine Forschungserkenntnis des Projekts war jedoch, dass Frauen und fürsorgende Personen nach wie vor Hauptverantwortung für die Arbeit rund um die Küche haben. Die wahrgenommenen Widersprüche führten zu lebhaften Diskussionen zwischen Besucher*innen untereinander und im Austausch mit uns. 

Highlight der Veranstaltung war die multisensorische Aufführung. Für diese kooperierten wir unter der Leitung von Martin Nachbar mit zwei Studierenden der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt (HfMDK). Sie interagierten in einer Performance mit einem von uns mitgebrachten Thermomix, stellten ein Kräutersalz und einen warmen (alkoholfreien) Punsch her und ergründeten gemeinsam mit dem Publikum die Frage: Wer kocht hier? Und wer arbeitet für wen? Maschine für Mensch oder doch umgekehrt? Und wie sieht es mit dem Geschlechterverhältnis aus? Auch die Frage nach den Schritten, die beim Kochen mit dem Thermomix zurückgelegt wurden, zeigten Schauspieler*innen und Publikum: Von selbst kocht der Thermomix auch nicht. 

Bei der Aufführung waren die Besucher*innen voll dabei und es gab viel Applaus. Nach so viel kondensiertem Input innerhalb einer Stunde konnten die Besuchenden zum Abschluss auf der kleinen Terrasse des mayhauses den während der Aufführung zubereiteten Punsch probieren und sich bei belegten Broten über das Gesehene und Gehörte austauschen. Am Ende sorgte das mayhaus für eine fast familiäre Atmosphäre: Besucher*innen sagten, es fühle sich so an, als sei man in einem Wohnhaus zu Gast, deren Bewohner*innen nur gerade nicht zu Hause waren. Lichterketten, Punsch und Novemberwind taten ihr übriges und wir wurden gebeten, doch noch eine Wiederholung anzubieten. 

Insgesamt waren die Veranstaltungen ein voller Erfolg! Vielen Dank an Christina Treutlein und Juliane Geißler von der ernst-may-gesellschaft für die einzigartige Kulisse. Vielen Dank an Martin Nachbar, Laura Nikolich und Yannick Sturm für die kreative Gestaltung des Abends und ihren körperlichen Einsatz beim Schauspiel.

Einführung in die Forschung / Introducing the research; Foto: Peter Kiefer
Gespräche und Feedback im Garten des mayhauses / Talk and feedback in the mayhaus garden, Foto: Peter Kiefer

Performing Cyborgs?

Research Communication for and with the Public

On 3 & 10 November 2023 our events „Cyborg Cooks in Frankfurt Kitchens“ took place. In the historic setting of the mayhaus the research team, two actors and a Thermomix brought the first results of the ethnographic study „Cyborg Cook: domestic cooking in the digital age“ to life. In two sold-out events a total of 70 visitors experienced research in a multisensory performance far removed from the lectern and long texts and explored the question: who is actually cooking in everyday life?

This has been one of the central questions of the research project. Through the unconventional program, we wanted to reach a public as broad as possible, but also make the multi-layered nature of the project tangible. It was important for us to be able to engage with the visitors. And the best possible outcome was achieved – all three goals were fulfilled!

We welcomed a mixed audience of ages ranging from 3 to 80: Research participants and their families, neighbours from other mayhouses, interested individuals and students, representatives of other Frankfurt museums and the ernst-may-society, but also colleagues from academia and friends. This was also made possible by the fact that we offered three slots during each event: For one hour each and in small groups, we guided visitors through the programme.

Why all this? The Frankfurt Kitchen was designed by the Viennese architect Margarete Schütte-Lihotzky as part of the city of Frankfurt’s social housing program under the direction of Ernst May. Schütte-Lihotzky observed housewives at work and counted their steps. She wanted to work out the most efficient arrangement of kitchen modules and thus transferred a system from industry to the household, known as Taylorism, according to which factories in particular were designed. The situation resembles that of contemporary digital kitchen machines such as the Thermomix: their automated operation is similar to that of large kitchen machines in food factories, only on a much smaller scale.

Through its materiality alone, so to speak, the mayhaus translated the multi-layered connections between technological and social development and everyday life, as it was also investigated in the Cyborg Cook project. To make these connections tangible, principal investigator Katharina Graf introduced and discussed the topic and the research with each group of visitors. Afterwards, the visitors became part of a multisensory performance in the dining room and the Frankfurt kitchen of the house.

It was important to us that the event did not involve top-down knowledge transfer. In fact, the exchange with visitors in small groups was a central element of the event. We learned a lot. For example, with one exception, none of the visitors owned a Thermomix, despite its increasing prevalence in the studied households. At the same time, the smartphone was often used as a kitchen appliance, even if it was not initially perceived as such by its users. In addition, almost all male visitors stated that they cooked themselves. This stands in contrast to one of the project’s research findings, namely that women and carers still have the main responsibility for all work around food. The perceived contradictions led to lively discussions between visitors and the team.

The highlight of the event was the multisensory performance. We collaborated with two students from the Frankfurt University of Music and Performing Arts (HfMDK) under the direction of Martin Nachbar. In a creative performance they interacted with a Thermomix that we had brought along, made a herbal salt and a warm (non-alcoholic) punch and explored the following questions together with the audience: Who is cooking here? And who works for whom? Machine for human or vice versa? And what about gender equality? The many steps taken when cooking with the Thermomix also demonstrated to actors and audience that the Thermomix doesn’t cook by itself.

The visitors were fully engaged in the performance and there was much applause. After so much condensed input within an hour, the visitors were able to taste the punch prepared during the performance on the small terrace of the mayhaus and discuss what they had seen and heard over sandwiches. In the end, the mayhaus created an almost familial atmosphere: visitors felt as if they were guests in a house whose residents were just not at home. Fairy lights, punch and the November wind did the rest and we were asked to offer a repeat performance soon.

All in all, the events were a complete success! Many thanks to Christina Treutlein and Juliane Geißler from the ernst-may society for providing us with this unique scenery. Many thanks to Martin Nachbar, Laura Nikolich and Yannick Sturm for the creative performance and their physical commitment to the play.

Digitalisierte Ernährung: Ethnografische Erkenntnisse aus smarten Küchen

Erste Ergebnisse des Cyborg Cook Projekts sind online verfügbar! (in German only)

Ganz unbemerkt ist die smarte Küche in Deutschland zur Realität geworden. Das liegt nicht nur am rezenten Erfolg digitaler Küchenmaschinen wie dem Monsieur Cuisine oder dem Thermomix, die mittels guided cooking die häusliche Ernährung digitalisieren. Es ist insbesondere das immer vernetzte Smartphone, das unsere Küchen smart macht. Während futuristisch anmutende Werbung für die Küche von morgen verspricht, dass einzelne Küchengeräte wie der internetfähige Kühlschrank, der Herd oder Ofen miteinander kommunizieren und unsere Arbeit übernehmen, haben Smartphones unser alltägliches Verhalten rund um Ernährung bereits merklich verändert. (…)

Wer diesen Artikel zu Ende lesen möchte, kann dies hier tun: https://highways2health.de/blog/digitalisierte-ernaehrung.html?

Ankündigung: Veranstaltung „Cyborg Cooks in Frankfurter Küchen“

Multi-sensorische Aufführung im Ernst-May-Haus, 03. und 10. November 2023

| Event announcement: Multi-sensory performance at the Ernst-May-Haus, 03 and 10 November 2023

Hand mit Messer berührt Display einer digitalen Küchenmaschine
Mensch interagiert mit digitaler Küchenmaschine (Photo: Katharina Graf)

>> Wir bitten um Anmeldung vorab hier!

Auf unkonventionelle Art und Weise präsentieren wir erste Ergebnisse des ethnographischen Forschungsprojekts „Cyborg Cooks: Häusliche Nahrungszubereitung im digitalen Zeitalter“ unter der Leitung von Dr. Katharina Graf. In der historischen Umgebung der „Frankfurter Küche“ aus den 1920er Jahren, der ersten industriell-geplanten Einbauküche des Stadtplanungsprojekts Neues Frankfurt, interagieren Schauspieler*innen und moderne Küchenmaschinen und machen den Zuschauer*innen erfahrbar: Wer kocht hier eigentlich?

(See English version below)

Keine Zeit zum Kochen? Lust auf schnelle, aber gesunde Küche für den Alltag? Modernes Design für moderne Menschen? Mindestens hundert Jahre alt sind Überlegungen wie diese. Wenn sich auch Einiges in der Zwischenzeit verändert hat, Fragen wie diese, und ihre Antworten, bleiben überraschend konstant. Während im Frankfurt der 1920er Jahre elektrische Herde erfolgreich beworben wurden, sind heutzutage digitale Küchenmaschinen die Technologie der Wahl. Mitsamt Kühlschrank und Mikrowelle versprechen Küchentechnologien und effizient gestaltete Küchenräume seit über einem Jahrhundert die harte Arbeit kochender Menschen zu erleichtern. Doch wie steht es tatsächlich um die Zusammenarbeit von Küchenmaschine und Köch:in? Wer kocht heutzutage? Wie, und wo? Können digitale Technologien das immer wieder beworbene Versprechen einlösen alltägliche Arbeiten wie das Einkaufen oder das Zubereiten von Nahrung zu übernehmen? Wollen wir das überhaupt? 

Diesen Fragen geht das DFG-geförderte Forschungsprojekt Cyborg Cook: häusliche Nahrungszubereitung im digitalen Zeitalter am Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Goethe-Universität Frankfurt nach. Das kulturanthropologische Projekt stellt dabei viele historische Parallelen fest, die im Rahmen einer öffentlichen Aufführung im mayhaus der ernst-may-gesellschaft e.V. und in Kollaboration mit der HfMDK (Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt) am 3. und 10. November 2023 multisensorisch thematisiert werden. Tatsächlich ist das Musterhaus und seine restaurierte Frankfurter Küche bis heute Raum gewordenes Symbol dieser nach wie vor hitzigen Debatte. Anfang der 1920er Jahre unter Leitung von Ernst May im Rahmen des sozialen Wohnungsbauprojekts des Neuen Frankfurt entworfen, antizipierte die Frankfurter Küche den Erfolg der modernen Einbauküche. Bis heute symbolisiert und materialisiert sie nicht nur die Industrialisierung der häuslichen Küche in Deutschland und anderen industrialisierten Nationen seit dem frühen 20. Jahrhundert, sondern auch begleitende moralisierende Diskurse sowohl um den Platz und die Rolle der modernen Frau als auch von Technik bis hin zu künstlicher Intelligenz.

Die Frankfurter Küche war mit knapp 8m² viel kleiner als bisher übliche Wohnküchen. Wie fürs gesamte Haus, wurden die Bewegungsabläufe von Hausfrauen – denn es wurde nicht in Frage gestellt wer alltäglich den Haushalt schmeißt und kocht – akribisch beobachtet um Nutzungsreihenfolgen zu erstellen. Auf dieser Grundlage entwarf die österreichische Architektin Margarete Schütte-Lihotzky gemeinsam mit ihren Frankfurter Kollegen um Ernst May die erste Einbauküche. Die Arbeit der Köchin sollte, genau wie die des Fabrikarbeiters, einfacher, effizienter und hygienischer werden. Trotz anfänglicher Zweifel wurde die vollständig elektrifizierte Küche samt Elektroherd – seinerzeit eine absolute Neuheit im sozialen Wohnungsbau – schließlich akzeptiert. Damit etablierte sich der Gedanke, wonach moderne Raumgestaltung und Technologien den Großteil der harten Arbeit leisteten, während die Köchin mehr Zeit für „höherwertige“ Tätigkeiten zur Verfügung habe. Die Frankfurter Küche und der Elektroherd repräsentierten die moderne Frau und die moderne Familie, nicht zuletzt also die moderne urbane Gesellschaft. Wenn auch in anderem Gewand, versprechen heutige Küchendesigns und -technologien nichts anderes. 

Damals wie heute können Köch:innen als cyborg cooks bezeichnet werden, als Hybride aus Mensch und Maschine (im Englischen ein sogenannter cybernetic organism). Die mehr oder weniger intelligente Maschine ermöglicht es der Köchin ihre eigenen körperlichen Fähigkeiten zu erweitern, ob als einfacher Löffel zum Umrühren der Suppe, als Smartphone-App zum geobasierten online-shopping oder als smarte Küchenmaschine mit integriertem, algorithmisch vorgeschlagenem Rezept. Um diese Interaktionen zwischen Menschen und Maschinen, also von cyborg cooks, in der häuslichen Küche zu erforschen, und im Zuge dessen die oben aufgeworfenen Fragen zu beantworten, geht das seit 2021 laufende Cyborg Cook Projekt ethnografisch vor. Mittels teilnehmender Beobachtung, der wiederholten Teilnahme an alltäglichen Praktiken wie dem Einkaufen, der Zubereitung und der gemeinsamen Verköstigung, werden cyborg cooks erfahrbar und verstehbar gemacht. Dabei verwischt das Bild des cyborgs herkömmliche Grenzen zwischen Menschen und Maschinen, zwischen organischen und nicht-organischen Substanzen, zwischen Köchin und Koch und selbst zwischen häuslicher Küche und Küchen weltweit. 

In Anlehnung an die multisensorische Teilhabe an häuslichen Mensch-Maschine-Interaktionen wird die Aufführung im mayhaus erste Ergebnisse der Forschung künstlerisch darstellen. Im Laufe des Besuchs des mayhauses werden die Besucher:innen – zumeist selbst cyborg cooks – unwillkürlich Zeugen der körperlich-digitalen Nahrungszubereitung wie sie viele Haushalte in Deutschland zusehends prägen. Dabei setzen sie sich hautnah mit gängigen Themen wie Technologiebegeisterung oder -angst, mit geschlechtlichen Rollenverteilungen beim Kochen, mit der Bedeutung von Effizienz und Zeitlichkeit oder dem Wandel körperlichen Wissens auseinander. Dank des Schauplatzes dieser Aufführung werden diese Themen in einen einzigartigen historischen Kontext gesetzt, der es auch ermöglicht vergangene und gegenwärtige Praktiken und Diskurse rund um die häusliche Nahrungszubereitung kritisch in die Zukunft zu denken.

Praktische Infos zur Veranstaltung:

Wann? Jeweils von 16 bis 19 Uhr am 3. und 10. November 2023

Wo? mayhaus, Im Burgfeld 136, 60439 Frankfurt-Römerstadt

Wer? Alle Interessierten, egal ob Forschungsteilnehmer*innen, Studierende, Forscher*innen, Nachbarn, Mayhaus-Unterstützer*innen — alle sind Willkommen!

Wie? Kostenlos. Die Veranstaltung findet in deutscher Sprache statt und dauert eine Stunde. Es gibt mehrere Zeit-Slots. Wir bitten um Anmeldung vorab, da die Plätze limitiert sind:

>> Anmeldungen unter: https://www.eventbrite.com/e/cyborg-cooks-in-frankfurter-kuchen-tickets-731995427027

Kontakt bei Rückfragen: cyborgcook@protonmail.com

Verantwortliche: Dr. Katharina Graf, Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie, Goethe-Universität Frankfurt

(auch veröffentlicht in UniReport Ausgabe 05/2023)


>> English version here:

Cyborg Cooks in Frankfurt Kitchens

In an unconventional way, we present the first results of the ethnographic research project „Cyborg Cooks: Domestic Food Preparation in the Digital Age“ under the direction of Dr. Katharina Graf: In the historical setting of the „Frankfurt Kitchen“ from the 1920s, the first industrially planned built-in kitchen of the New Frankfurt urban planning project, actors* and modern kitchen machines interact and make it possible for the audience to experience: Who actually cooks here?

No time to cook? Desire for fast but healthy food for everyday life? Modern design for modern people? Considerations like these are at least a hundred years old. While some things have changed in the meantime, these questions, and their answers, remain surprisingly constant. While electric stoves were successfully promoted in 1920s Frankfurt, digital kitchen machines are the technology of choice today. Along with refrigerators and microwaves, such kitchen technologies and efficiently designed kitchen spaces have promised to make the hard work of cooking easier for more than a century. Yet, what about the actual collaboration between the kitchen machine and the cook? Who cooks these days? How, and where? Can digital technologies deliver on the repeatedly advertised promise of taking over everyday tasks like shopping or preparing food? Do we want that?

These are questions that the DFG-funded research project Cyborg Cook: Domestic Cooking in the Digital Age at the Institute of Cultural Anthropology and European Ethnology at Goethe University Frankfurt is investigating. In doing so, the anthropological project identifies many historical parallels, which will be addressed during a multisensory public performance at the mayhaus of the ernst-may-gesellschaft e.V. in collaboration with the HfMDK (Frankfurt University of Music and Performing Arts) on 3 & 10 November 2023. In fact, the model house and its restored Frankfurt Kitchen has become a symbol of this still heated debate. Designed in the early 1920s under the direction of Ernst May as part of the New Frankfurt social housing project, the Frankfurt Kitchen anticipated the success of the modern fitted kitchen. To this day it symbolizes and materializes not only the industrialization of the domestic kitchen in Germany and other industrialized nations since the early 20th century, but also accompanying moralizing discourses around both the place and role of the modern woman and technology, up to and including artificial intelligence.

The Frankfurt kitchen, at just under 8m², was much smaller than previously common open-plan kitchens. To create sequences of use for the entire house, the movements of housewives – because it was not questioned who would do the daily house work and cooking – were meticulously observed. On this basis, the Austrian architect Margarete Schütte-Lihotzky, together with her Frankfurt colleagues around Ernst May, designed the first fitted kitchen. The cook’s work, just like that of the factory worker, was to become simpler, more efficient and more hygienic. Despite initial doubts, the fully electrified kitchen, along with the electric stove – an absolute novelty in social housing at the time – was finally accepted. This contributed to cementing the idea that modern home design and technology did most of the hard work, while the cook had more time for „higher-value“ activities. The Frankfurt Kitchen and the electric stove represented the modern woman and the modern family, and thereby also modern urban society. Even if in a different guise, today’s kitchen designs and technologies promise nothing else.

Then as now, cooks can be described as cyborg cooks: hybrids of human and machine (a so-called cybernetic organism). The more or less intelligent machine enables the cook to expand her own physical capabilities, whether as a simple spoon for stirring soup, as a smartphone app for geo-based online shopping, or as a smart kitchen machine with an integrated, algorithmically suggested recipe. In order to explore these interactions between humans and machines, i.e. cyborg cooks, in the domestic kitchen, and to answer the questions raised above, the Cyborg Cook project takes an ethnographic approach. By means of participant observation, repeated participation in everyday practices such as shopping, preparation and eating, cyborg cooks are made tangible and understandable. In doing so, the image of the cyborg blurs conventional boundaries between humans and machines, between organic and non-organic substances, between woman and man, and between domestic kitchens and kitchens worldwide.

Based on the multisensory participation in domestic human-machine interactions, the performance in the mayhaus will artistically present the first results of this project. In the course of their visit to the mayhaus, the visitors – most of them cyborg cooks themselves – will witness the bodily-digital food preparation that is increasingly shaping many households in Germany. Through this multisensory event, they will experience common themes such as enthusiasm or fear of technology, gender roles in cooking, the importance of efficiency and temporality, or the transformation of embodied knowledge. Thanks to the unique location of this performance, these topics are historically contextualized, allowing us to think past and current practices and discourses around domestic food preparation into the future.

Pracitical information about the event:

When? From 4 to 7 pm each day on 3 & 10 November 2023

Where? mayhaus, Im Burgfeld 136, 60439 Frankfurt am Main

Who? All interested parties, whether research participants, students, researchers, neighbours, Mayhaus supporters — all are welcome!

How? Free of charge. The event will be held in german and lasts one hour. There are several time slots. Please register in advance as places are limited:

>> Registration link: https://www.eventbrite.com/e/cyborg-cooks-in-frankfurter-kuchen-tickets-731995427027

Contact: cyborgcook@protonmail.com

Dr. Katharina Graf, Institute of Cultural Anthropology and European Ethnology, Goethe University Frankfurt

(published in UniReport Edition 05/2023)

Die Zunkunft der Hausarbeit | The future of domestic work

Künstliche und körperliche Intelligenz bei der Arbeit / Artificial and embodied intelligence at work. Foto: cyborgcook.

See English version below.

Laut einer neuen Studie zur Zukunft der Arbeit könnte durchschnittlich 39% der häuslichen, unbezahlten Arbeit innerhalb der nächsten zehn Jahre automatisiert werden. Die Forschenden der Oxford Universität und der Ochanomizo Universität haben dazu 65 Expert:innen der künstlichen Intelligenz (KI) in Wirtschaft, Wissenschaft und anwendungsorientierter Forschung und Entwicklung im Vereinigten Königreich und in Japan befragt. Die Studie leistet wichtige Arbeit indem sie häusliche, oft unbezahlte Arbeit wie Kochen oder Kinderbetreuung – oftmals von Frauen oder prekär angestellten Menschen durchgeführt – als ebenso wichtiges Feld der Zukunftsforschung erachtet wie das der bezahlten Arbeit. Die Forschenden betonen ebenso, dass die Einschätzungen von Experten nicht in einem luftleeren Raum zustande kommen, sondern soziokulturell und genderabhängig und damit subjektiv geprägt sind. Für uns Kulturanthropologen sind diese Erkenntnisse natürlich nichts Neues, in der Forschung zu KI und Zukunftstechnologien allerdings schon.

Interessant sind die Ergebnisse zu den einzelnen Tätigkeiten der Hausarbeit und ihrer „Empfänglichkeit“ für Automatisierung. Denn es sind vor allem Tätigkeiten rund um die Nahrungszubereitung, die laut der befragten Expertinnen und Experten besonders automatisierbar sind. Der Lebensmitteleinkauf könnte somit in zehn Jahren zu fast 60% automatisiert sein und ist damit die mit Abstand empfänglichste Alltagsarbeit, die in Zukunft größtenteils KI geleitet verlaufen könnte. Der Abwasch und das Kochen sind mit fast 47% bzw. 46% auch deutlich empfänglicher als andere Tätigkeiten, besonders im Vergleich zur Arbeit rund um die Betreuung von Kindern oder älteren Menschen, die im Schnitt nur zu 28% empfänglich ist. Betreuung wird von den befragten Expert:innen als care Arbeit bezeichnet und klar von den anderen Hausarbeiten abgegrenzt. Arbeiten wie Einkaufen, Abwasch oder Kochen werden als Routineaufgaben verstanden, die leichter automatisierbar sind als Arbeiten die „komplex“, „problemlösend“ und „kommunikativ“ sind wie die Betreuung anderer Menschen.

Diese Unterscheidung ist problematisch; nicht zuletzt weil sie die Realität und die Zukunft der Nahrungszubereitung möglicherweise falsch darstellt. Müsste man Nahrungszubereitung nicht auch als eine Art von care Arbeit bezeichnen? Die bisherige Forschung im Rahmen des Cyborg Cook Projekts legt dies tatsächlich nahe. Zwar sind Tätigkeiten wie Lebensmitteleinkauf oder Kochen alltägliche und routinierte Aufgaben für viele Menschen. Doch insbesondere in Familienhaushalten und selbst in single-Haushalten sind sie deswegen alles andere als einfach oder unkommunikativ! Erste Ergebnisse der ethnografischen Forschung zeigen deutlich, wie viele komplexe Entscheidungen bei jedem Einkauf oder jeder Mahlzeitenbereitung immer wieder getroffen werden. Hierbei werden eigene Fähigkeiten und Wissen berücksichtigt, andere Menschen und ihre Vorlieben und Bedürfnisse befragt, gesundheitliche und ethische Fragen gestellt und – oftmals mithilfe des Smartphones und sozialer Medien – beantwortet, das finanzielle und zeitliche Budget kalkuliert, etc. Diese Arbeit ist, genau wie Betreuungsarbeit, auch durch „Überzeugungsarbeit“, „Verhandlungsfähigkeit“ und „soziale Wahrnehmungsfähigkeit“ geprägt. Um also die Zukunft der Hausarbeit und ihrer Automatisierung besser vorhersagen zu können, insbesondere die der häuslichen Nahrungszubereitung, muss auch ihre Komplexität in der heutigen Realität hinreichend berücksichtigt werden.

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According to a recent study about the future of work, on average 39% of unpaid domestic work could be automated within ten years. Researchers at Oxford University and at Ochanomizo University have interviewed 65 experts of artificial intelligence (AI) technologies working in business, academia and research and development in the UK and in Japan. The study is important, because it considers domestic, usually unpaid work such as cooking or childcare – tasks often carried out by women or precariously employed persons – as equally important research as that on paid work when it comes to predicting the future of work. The researchers emphasise furthermore that expert opinions do not form in a blank space but are contingent upon sociocultural and gender dimensions and thus anything but objective. While these arguments might not surprise social or cultural anthropologists, they are still news in research around AI and the future of work.

The results around different kinds of housework and their ’susceptibility‘ to automation are particularly interesting. According to the experts surveyed it is largely tasks related to food preparation that are susceptible to automation. Grocery shopping could therefore be almost 60% automated within ten years and is by far the housework most susceptible to AI technology in the future. Washing dishes and cooking are also significantly more susceptible than other activities, at nearly 47% and 46% respectively, especially when compared to work related to caring for children or the elderly, which is only 28% susceptible on average. The experts clearly distinguish between care work and other household chores. Work such as shopping, washing dishes or cooking are understood as routine tasks that are easier to automate than „nonroutine“ work such as looking after other people, which is „complex problem-solving“ and „communicative“.

This distinction is problematic; not least because it may misrepresent the reality and future of food preparation. Shouldn’t food preparation also be described as a type of care work? Results from the Cyborg Cook project actually suggest this. Of course, activities such as grocery shopping or cooking are routine tasks for many people. Yet, especially in family households and even in single households, they are anything but simple or uncommunicative! The first results of this ethnographic research project clearly show how many complex decisions are made again and again with every purchase or meal preparation. One’s own abilities and knowledge are taken into account, other people are asked about their preferences and needs, health and ethical questions are asked and answered – often with the help of smartphones and social media -, the financial and temporal budget is calculated, etc. Just like care work, this work is also based on „persuasion“, „negotiation“ and „social perceptiveness“. So, in order to more acurately predict the future of domestic work and its automation, especially that of domestic food preparation, its full complexity and contemporary reality needs to be accounted for as well.

Eine Geschichte von Menschen und ihren Maschinen | A (Hi)story of Humans and their Machines

Werbeanzeige der Firma Thor aus The Lake County Times von 1917 mit der Überschrift „Bemerkenswerte Maschine macht Schluss mit der Plackerei am Waschtag!“. | Advertisement for the Thor Company from The Lake County Times, 1917, with the headline „Remarkable machine Banishes Wash Day Drudgery!“. | Foto: The Lake County times. [volume] (Hammond, Ind.), 23 Nov. 1917. Chronicling America: Historic American Newspapers. Lib. of Congress. <https://chroniclingamerica.loc.gov/lccn/sn86058242/1917-11-23/ed-1/seq-14/>

Die Geschichte der Industrialisierung ist auch eine herausragende Geschichte der Haushaltsgeräte. Ihre Entwicklung veränderte die Lebensrealität von Familien von Grund auf. Viele Tätigkeiten, die vorher Menschen ausübten, können jetzt um ein Vielfaches schneller und genauer durch Maschinen ausgeführt werden. Gibt es also weniger Haus-/Arbeit als zuvor? Und wer arbeitet eigentlich – Mensch oder Maschine?

The history of industrialization is also an outstanding history of household appliances. Their development fundamentally changed the reality of families‘ lives. Many activities that were previously performed by people can now be done many times faster and more accurately by machines. So is there less housework/work than before? And who actually does the work – human or machine? See the full article in english below.


Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, analysierte die Historikerin Ruth Schwartz Cowan die Geschichte der Haushaltsgeräte in den USA. Denn diese Geschichte gibt uns Hinweis darauf, wie Menschen im Laufe der letzten 150-200 Jahre lebten. Der Titel von Cowan Schwartz‘ Buch nimmt die Hypothese schon vorweg: „More Work for Mother“.

Vor der Industrialisierung waren viele Werkzeuge, die eine Familie nutzte, selbst hergestellt. Einige schwieriger herzustellende wurden auch damals schon dazugekauft, zum Beispiel Messer oder Kochtöpfe. Geschirr und Besteck wurden aber selbst aus Holz geschnitzt. Insgesamt produzierten viele Familien die Güter, die sie zum Leben brauchten, zum größten Teil selbst. Der Lebensstandard war einfach: Die Häuser waren klein, um weniger heizen zu müssen, Mahlzeiten waren wenig abwechslungsreich und aufgrund der Zubereitung über offenem Feuer meist in einem Topf gekocht. Wenn Sie die aktuell trendigen „One Pot“-Gerichte kennen…etwa so ähnlich waren die gängigen Mahlzeiten von Familien vor der Industrialisierung. Die Arbeitsteilung innerhalb der Familie war auf den ersten Blick wenig überraschend: Frauen arbeiteten vor allem im häuslichen Bereich, Männer auf dem Feld. Allerdings unterstützten sich die Familienmitglieder bei ihren Tätigkeiten; Männer hackten beispielsweise Holz für das Feuer in der Küche, Kinder stapelten es auf; Frauen und Kinder halfen umgekehrt bei körperlich leichteren Arbeiten auf dem Feld.

Mit der Industrialisierung löste sich dieses gemeinschaftliche Arbeiten zunehmend auf. Arbeitsplatz und Wohnort wurden getrennt. Männer gingen zur Lohnarbeit in Fabriken. Frauen blieben mit der Hausarbeit und den Kindern im Haus. Möglich wurde diese Arbeitstrennung durch technische Entwicklungen, die bestimmte häusliche Arbeiten maschinell übernahmen. Zum Beispiel die Entwicklung des Kohlen-Herds: Holz hacken und stapeln war nun nicht mehr nötig. Von den Herstellern beworben wurde der Herd nicht nur mit dieser Arbeitserleichterung. Mit dem Herd konnten jetzt auch unterschiedliche Gerichte zur gleichen Zeit gekocht werden: Die Hitzeregulierung der einzelnen Herdplatten ermöglichte das Kochen, Dünsten, Braten von verschiedenen Nahrungsmitteln gleichzeitig. Somit läutete der Herd zunächst das Ende der One-Pot-Gerichte ein und die Ernährung innerhalb von Familien wurde vielfältiger.

Allerdings führte diese Form des Kochens zu mehr Arbeitsschritten für Frauen. Verschiedene Nahrungsmittel separat zuzubereiten braucht deutlich mehr Aufwand als ein Eintopf. Ein Herd muss zudem regelmäßig gereinigt werden. Und so führte der technologische Fortschritt zu weniger häuslicher Arbeit für Männer (und Kinder) – aber mehr für Frauen. Ruth Schwartz Cowan zeigt in ihrem Buch auf, wie weitere technische Entwicklungen systematisch häusliche Arbeiten für Männer eliminierten. Dadurch hatten diese mehr Zeit für die Lohnarbeit. Frauen hatten aber plötzlich mehr zu tun als vor der Industrialisierung. Denn mit dem verdienten Geld konnten neue Werkzeuge gekauft werden, die die Arbeit erleichtern sollten. Der Lebensstandard von Familien stieg dadurch im Laufe der Zeit an: Die Menschen besaßen mehr Kleidung, da diese maschinell hergestellt wurde – dies führte jedoch zu mehr Wäsche. Mehr Haushaltsgeräte hieß auch mehr Putzarbeiten. Gleichzeitig wurde Mehl nun industriell gemahlen, Lederwaren industriell gefertigt. Beides waren vormals traditionelle Arbeiten der Männer.

Mit dem zunehmenden Anschluss von Privathaushalten an zentrale Wasser-, Elektrizität- und Gasnetzwerke konnten weitere Haushaltsgeräte einziehen. Männer (und Kinder) mussten kein Wasser mehr schleppen und Feuer machen, um es zu erwärmen. Die Häuser wurden größer; Bäder wurden eingebaut. Dementsprechend verbesserten sich die hygienischen Bedingungen der breiten Bevölkerung, Krankheiten und Kindersterblichkeit gingen zurück. Gesellschaftlich wuchsen damit aber auch die Ansprüche an Sauberkeit – und damit die Ansprüche an Frauen. Bäder mussten geputzt werden, Kinder sollten reinlich aussehen.

Die Werbung stellte all diese Arbeiten jedoch als Nichtigkeiten dar: Mit dem neuen Staubsauger, der neuen Waschmaschine, elektrischem Licht und einer Gasheizung würden Hausarbeiten ja viel leichter und effizienter von der Hand gehen – in der Werbung quasi von selbst. Und tatsächlich müssen Frauen heute weniger schwere körperliche Arbeiten verrichten als vor der Industrialisierung. Bis heute steigt aber auch die Produktivität ihrer Arbeit kontinuierlich an: Mit Hilfe von Maschinen ist Hausarbeit leichter geworden; die dadurch entstehende freie Zeit wurde aber mit viel mehr neuen Arbeiten ersetzt. Arbeit wurde in Summe also nicht weniger durch Haushaltsgeräte. Sie wurde umstrukturiert.

Wer arbeitet nun? Nach der – bis heute – weit verbreiteten Vorstellung, arbeiten Frauen eigentlich kaum. Maschinen erledigen die Arbeit für sie. Die sogenannte „Working Woman“ ist die, die Lohnarbeit nachgeht und nebenbei noch „das bisschen Haushalt“ erledigt. Als Arbeit gilt nur, womit Geld verdient wird. Dabei muss in einem industrialisierten Haushalt trotzdem jemand abstraktes und körperliches Wissen haben, muss Entscheidungen treffen, muss jeden Tag planen, adaptieren und anpassen; genau wie bei bezahlter Arbeit. Jedoch führt die Vielfältigkeit und Kleinteiligkeit der einzelnen Arbeitsschritte im Haushalt (und in der Kindererziehung!) sowie ihre räumliche Abgeschiedenheit im Privaten dazu, dass die Arbeit nicht immer sichtbar oder verbalisierbar ist, sondern nur „erfahrbar“. Somit wird diese Arbeit gar nicht als solche wahrgenommen und thematisiert. Nicht von denen, die sie verrichten – und das sind bis heute meist Frauen – und noch weniger von denen, die sie kaum selbst erfahren – ihre Partner, die ganztags außer Haus arbeiten.

Die geschlechterbasierte Arbeitsteilung verschiebt sich langsam bei uns; das Ideal der Hausfrau wird zusehends in Frage gestellt; Männer übernehmen neben der Lohnarbeit wieder mehr Arbeit im Haus. Diese Entwicklung hat neben den feministischen und queeren Emanzipationsbewegungen sowie steigender Lebenshaltungskosten auch mit der Digitalisierung der Gesellschaft zu tun: Arbeiten, ob entgeltlich oder unentgeltlich gehen nun „noch schneller“: Die Küchenmaschine rührt die Suppe von selbst, Einkaufen geht per App in der Bahn, die Pflanzen auf dem Balkon werden durch ein automatisches Sprinklersystem bewässert; Lohnarbeit geht auch im Home Office vom Küchentisch. „Digitale Haushaltsführung“ im smart home, zum Beispiel die Installation und Wartung von voice assistants wie Alexa oder Apps zur Steuerung vernetzter Haushaltsgeräte, verschiebt typische Arbeitsteilungsmuster. Vor dem Hintergrund der Analyse von Schwartz Cowan klingen diese technologischen Entwicklungen jedoch nach mehr vom Gleichen: Produktivitätssteigerung. Die Frage ist: Falls digitale Küchenmaschinen doch eine neue Dimension von Haushaltstechnologien darstellen: Was verändern sie tatsächlich? Wie? Und für wen?


Literaturhinweis: Cowan, R.S., (1983): More work for mother. The ironies of household technology from the open hearth to the microwave. New York (Basic Books).


In order to get to the bottom of this question, the historian Ruth Schwarz Cowan analysed the evolution of household appliances in the US. She also points out how people lived during the last 150-200 years. Moreover, the title of her book “More Work for Mother” already anticipates her narration.

Before the beginning of the industrialisation, many tools families used were crafted by themselves. Only some were bought rather than selfmade, such as knives or cooking pots since they were difficult to manufacture. However, tableware and cutlery was usually wooden and selfmade, like most of the goods a family needed for everyday life. Living standards were simple: houses were small in order to heat less space, meals varied little and usually cooked in one pot over the fire. If you happen to know the currently trendy “one pot” dishes; those were common meals for pre-industrial families. At a first glance, the division of labour within families was no surprise: women worked within the domestic sphere, whereas men worked in the fields. However, family members supported each other; for instance, men chopped wood for the fire place in the kitchen, children piled it up, while women and children helped men with light physical work in the fields.

With the rise of industrialisation though, this cooperation dissolved slowly. Workplace and residence became separated. Men pursued wage labour in factories and women stayed home doing household chores and looking after children. This became possible due to technological developments undertaking specific tasks mechanically; for instance, the development of the coal stove made chopping and piling wood redundant. Producers promoted this reduced workload that accompanied this new stove, and also the possibility of cooking different meals at the same time. Regulating the heating of the individual heating plates enabled cooking, steaming and roasting of different food products simultaneously. This heralded the end of the “one-pot” dish and families’ diets became more diverse.

However, this new way of cooking also led to more work for women. Preparing different food products separately requires more effort than cooking a stew. Additionally, stoves have to be cleaned regularly. Thus, technological progress led to less domestic work for men (and children), while at the same time it entailed more domestic work for women. In her book, Ruth Schwartz Cowan points out how other technological developments systematically eliminated domestic work for men. As a result of industrialisation processes, men had more time to do wage labour, and women were facing more household chores than before. With money, new tools considered to make life easier were bought and living standards rose. For instance, suddenly we had more clothes which were produced by machines, and therefore laundry increased too. More household appliances also equals more cleaning work. At the same time, other products like flour and leather goods were now crafted industrially as well; both tasks that were previously largely carried out by men.

Private households became increasingly connected to central water, electricity and gas networks, facilitating the opportunity to have more household appliances. Men and children no longer needed to carry water or start a fire to heat it. Houses became bigger and bathrooms were integrated. Thus, hygienic conditions for the population at large increased, diseases and mortality decreased. However, demands in cleanliness also increased expectations towards women. Bathrooms had to be cleaned regularly and children were expected to look neat.

At the same time, in advertising those new tasks were protrayed as vanities; with a new vacuum cleaner, washing machine, electrical light and gas heating, household chores appeared as an easy and efficient task; or as nearly done „by itself“. Indeed, women nowadays tend to work less physically, compared to pre-industrial times. Nevertheless, the productivity of their work increases constantly; household chores may have become easier thanks to domestic machines but the additional time has been replaced with more work. So, in sum, work did not become less due to household appliances. It was restructured.

So who is working? According to a still popular and present imagination, women hardly work. Machines work for them. The so-called “working woman” is a woman who does wage labour and housework is a breeze for her, done alongside. Proper work is only work that brings money. Nevertheless, in any household, someone has to have abstract and embodied knowledge, has to make decisions, adapt and adjust; similar to doing wage labour. Having said this, the diversity and details of individual work steps within a household (and parenting!) as well as the isolation which is specific for working within the private sphere, means that this kind of work is not always visible or verbalised, but rather “experienced”. Thus, this work is oftentimes not considered as work; not by women themselves – although up until now it is primarily women who do this work – nor those who do not “experience” it, namely partners who work outside the house.

This gender-based division of labour is slowly changing; less women are “merely” housewives and men once again engage more with household chores. Not only feminist and queer emancipation movements and increasing living expenses have contributed to this development, but also the digitalisation of society. Work – whether in return for payment or not – can be done “even quicker”. Food processors stir soups independently, grocery shopping is done via app, plants on the balcony are watered by automatic sprinkler systems, and wage labour can be done from home. With „digital housekeeping“ in the smart home, requiring for instance the installation and management of voice assistants like Alexa or of apps to control connected domestic appliances, further shifts labour division in the home. Against Schwartz Cowan’s analytical backdrop, those technological developments simply demonstate what has always been a central element of sociotechnical transformation: to increase productivity. However, the question this also raises is the following: if digital food processors constitute a new dimension of household technologies, what changes? How? And for whom?


Bibliography: Cowan, R.S., (1983): More work for mother. The ironies of household technology from the open hearth to the microwave. New York (Basic Books).

Das Cyborg-Manifest: Von optischer Täuschung und der Onko-Maus | Cyborg Manifesto: Of Optical Illusion and the Onco-Mouse

Im Blog-Beitrag „Was ist ein Cyborg Cook?“ haben wir erklärt, wie alltäglich und doch auch verschieden Cyborgs sein können. Wie Forschende mit diesen und anderen scheinbaren Gegensätzen umgehen können, zeigt die Sozialwissenschaftlerin Donna Haraway in ihrem Essay Ein Manifest für Cyborgs von 1985.

In the blog post „What is a Cyborg Cook?“ we explained how commonplace, yet also how different cyborgs can be. In her 1985 essay A Cyborg Manifesto, social scientist Donna Haraway shows how researchers can deal with these and other apparent contradictions. Find the full article in English below.


Buch-Cover zu „An Analysis of Donna Haraway’s A Cyborg Manifesto“.
Foto: The Macat Library

Donna Haraway benutzt dabei das Cyborg als eine Figur, die Gegensätze miteinander verbindet. Am geläufigsten ist das Cyborg als Hybrid aus Mensch und Maschine. Auf der einen Seite ein Lebewesen aus Fleisch und Blut, das atmet, fühlt, irrt und spontan agiert. Auf der anderen Seite ein Etwas aus metallenen Bauteilen, dem Energie und Impuls von außen zugeführt werden, um dann stringent und gefühlslos nach einer vorgegebenen Mechanik oder einem logischen Programm zu arbeiten.

Weil diese beiden Pole so unvereinbar miteinander erscheinen, wird das Cyborg meist mit Science-Fiction in Verbindung gebracht, einem fiktiven Konstrukt fernab unserer gelebten Realität. Donna Haraway argumentiert jedoch, dass die Annahme, Cyborgs seien Science-Fiction, eine „optische Täuschung“ ist. Denn wir als Menschen werden im übertragenen Sinne zum Cyborg, wenn wir eine Maschine bedienen. Dafür muss ein Mensch weder ein Tech-Freak sein, noch reich oder besonders gebildet. Cyborgs sind ganz alltäglich. Um den Cyborg aber sehen oder erkennen zu können, müssen Forschende eine bestimmte Perspektive einnehmen.

Eine andere Form des Cyborgs verdeutlicht dies. Denn laut Haraway kann ein Cyborg auch die Verbindung aus anderen scheinbaren Gegensätzen sein. Sie nennt ein Cyborg als Hybrid aus Mensch und Tier, zum Beispiel eine Labor-Maus („Onko-Maus“), an der Medikamente für Menschen getestet werden. Vielleicht sagen Sie jetzt: Aber ein Tier ist ein Lebewesen, es ist nicht so grundverschieden vom Menschen wie eine Maschine. Aus heutiger Sicht haben Sie da Recht. Vor nicht allzu langer Zeit jedoch sahen Menschen Tiere noch als grundverschieden an. Kirche und später die Wissenschaft gingen davon aus, dass Tiere keine Gefühle und kein Sozialverhalten hätten.

Um ein Cyborg zu erkennen, müssen Forschende (und Nicht-Forschende!) also inklusiv denken. Man kann sich dieses Vorgehen als einen umgekehrten Trichter mit verschiedenen Schichten vorstellen. Oben an der engen Stelle sieht man bloß die Schicht mit dem Oppositionspaar: Mensch–Maschine, Mensch–Tier, aber auch Gegensätze wie arm–reich, schwarz–weiß, gesund–krank, öffentlich–privat, primitiv–zivilisiert, Körper–Geist, Mann–Frau, Wir–Andere. Diese Binaritäten sind allerdings Vereinfachungen von dem, was in der Realität passiert. Denn in unserem alltäglichen Tun und Zusammenleben ist es viel komplexer. Um beim Bild des Trichters zu bleiben: Je weiter man nach unten sieht, desto breiter wird der Trichter und desto mehr Schichten kann man erkennen.

Trichter-Prinzip oder Schichten der Bedeutungsgebung | Funnel-principle or Layers of meaning-making
Foto: Cyborg Cook.

So sieht man unter dem vermeintlich gegensätzlichen Paar eine Fülle aus Übergängen, die sich ständig verändern. Das Cyborg bildet dabei keine Einheit, sondern eine Mischung aus Vielfältigem. Dabei spielen Zeit und Raum eine wichtige Rolle, zum Beispiel im Hinblick auf den Stand der Forschung (Wissen, Technologie). Aber auch die Verschränkungen zwischen sozioökonomischen Merkmalen wie Klasse, „gender“ oder „race“ werden sichtbar. In den Sozialwissenschaften wird diese Perspektive als intersektional bezeichnet, wörtlich „zwischen den Sektionen/Bereichen“.

Es waren feministische Forschende wie Donna Haraway, die erkannten wie wichtig es ist, intersektional zu denken. Denn Schwarz-Weiß-Denken in Dualismen und Hierarchien war nie wirklich realitätsnah. Schon in der Steinzeit nutzten Menschen Werkzeuge, waren also Cyborgs. Gerade durch Globalisierung und Fortschritte in der Kommunikations- und auch Biotechnologie verändern sich unsere Lebensrealitäten jedoch immer schneller. Damit entstehen neue Verknüpfungen und Herausforderungen für Menschen weltweit – und damit auch neue Cyborgs. Diese Cyborgs zu erkennen, also intersektional zu forschen, bildet die Grundlage, damit wir als Gesellschaft entscheiden können, wie wir unser Leben in Zukunft gestalten können und möchten.


Donna Haraway uses the cyborg as a figure that combines opposites. The cyborg is most familiar as a hybrid of man and machine. On the one hand, a living being of flesh and blood that breathes, feels, errs and acts spontaneously. On the other hand, something made of metal components that must be supplied with energy and impulse from the outside in order to work stringently and emotionlessly according to a predefined mechanism or logical programme.

Because these two poles seem incompatible the cyborg is usually associated with science fiction, a fictional construct far removed from our lived reality. Donna Haraway, however, describes the assumption that cyborgs are science fiction as an „optical illusion“. For we, as humans, become cyborgs when we operate a machine. For this to happen a person does not have to be a tech freak, rich or particularly educated. Cyborgs are quite commonplace. But in order to see or recognise the cyborg, researchers have to adopt a certain perspective.

Another form of the cyborg illustrates this. According to Haraway, a cyborg can also be the combination of other apparent opposites such as a hybrid of human and animal. Imagine, for example, a laboratory mouse („onco-mouse„) used to test drugs for humans. Perhaps you are thinking: But an animal is a living being, it is not as fundamentally different from a human being as a machine. According to today’s zeitgeist you are right. Not so long ago, however, people still saw animals as fundamentally different. The church, and later the natural sciences, assumed that animals had no feelings and no social behaviour.

To recognise a cyborg, researchers (and non-researchers!) need to think inclusively. Imagine this process as an inverted funnel with different layers: At the top, in the narrow place, you only see the layer with the oppositional pair: Man-machine, man-animal, but also opposites like poor-rich, black-white, healthy-sick, public-private, primitive-civilised, body-mind, man-woman, we-other. These binaries are merely simplifications of what happens in reality, in our everyday actions and coexistence it is much more complex. To stay with the image of the funnel: The further down you look, the wider the funnel becomes and the more layers you can see.

Thus, beneath the supposedly oppositional pair, one sees an abundance of transitions that are constantly changing. The cyborg does not form a unity, but a mixture of manifold things. Time and space play an important role, for example, with regard to the state of research (knowledge, technology). But also the entanglements between socio-economic characteristics such as class, gender or race become visible. In the social sciences, this perspective is called intersectional, literally „between the sections/areas“.

It was feminist researchers like Donna Haraway who realised how important it is to think intersectionally. The old black-and-white thinking of dualisms and hierarchies was probably never really close to reality. Even in the Stone Age, people used tools, they were cyborgs. However, globalisation and advances in communication and biotechnology mean that the realities of our lives are changing ever faster. This creates new connections and challenges for people worldwide – and thus new cyborgs. Recognising these cyborgs, i.e. conducting intersectional research, forms the basis for us as a society in order to decide how we can and want to shape our lives in the future.


Was ist ein Food Diary?  What is a Food Diary?

For English version, please see below.

Nudeln zum Abendessen, Salat zum Mittagessen, Kekse und Kaffee zwischendurch, aber was habe ich eigentlich gefrühstückt? Am Ende des Tages wissen wir oft nicht mehr so genau was wir eigentlich über den Tag verteilt an Nahrungsmitteln gekauft, zubereitet und/oder gegessen haben und wie viele kleine Gedanken wir uns darüber jedes Mal gemacht haben.

Da wir im Alltag oft Routinen folgen, fällt es manchen von uns schwer über unser eigenes Einkaufs-, Koch- oder Essverhalten zu reflektieren. Ein detailliertes Tagebuch hilft diese Routinen bewusster wahrzunehmen und zu verbalisieren.

Food Diaries sind als Methode fester Bestand von Ernährungsberater:innen. Detaillierte Einträge wann immer Nahrung oder Getränke zu sich genommen werden ermöglichen diesen auf individuelle Ernährungsweisen ihrer Klienten reagieren zu können. Anders als bei einem klassischen Tagebucheintrag – bei dem man abends über das Tagesgeschehen reflektiert – ist es bei einem Eintrag ins Food Diary jedoch sinnvoll sich immer dann Notizen zu machen, wenn gerade eingekauft, gekocht oder getrunken wurde.

Für Cyborg Cook ist so ein Food Diary wichtig, weil es nicht nur Aufschluss darüber geben kann, was wann und wie zubereitet und/oder gegessen wird, sondern auch mit welchen Küchengeräten welche Lebensmittel zubereitet werden. Um diesen Fragen nachzugehen haben wir die für uns wichtigsten Kategorien zusammengetragen: Zeit/Dauer, Art der Aktivität, Zutaten, Geräte und Hintergrundgedanken. Diese Kategorien helfen einzuordnen wann, wie und wo wir uns im Alltag mit Nahrung beschäftigen und welche Rolle Technologien dabei haben. Zusätzlich sind diese Kategorien praktisch für ein einfaches und schnelles Verfassen deines persönlichen Food Diary.

Viel Spaß beim Aufschreiben!


Pasta for dinner, salad for lunch, cookies and coffee in the meantime, but what did I have for breakfast? At the end of the day we sometimes cannot remember what kind of food products we were buying, preparing and/or eating throughout the day, nor are we likely to remember how much time we spent thinking about any of these practices.

In our everyday lives we usually follow routines which can make it difficult to reflect on our own shopping, cooking or eating behaviour. A detailed diary entry can help noticing and verbalising these routines.

Food Diaries are often used by nutritionists and entail taking notes whenever foods or drinks are consumed. Detailed entries enable nutritionists to respond to their clients‘ individual eating habits. Unlike a classical diary entry, which is usually written at the end of the day as a form of reflection, for a food diary it makes sense to take notes right when food or drinks were bought, cooked, and/or consumed.

For Cyborg Cook a Food Diary is important because it provides not only insights into what, when and how food is prepared and/or eaten, but also which technologies were used to do so. To follow these questions, we compiled five categories that are most relevant for us: time and length of activity, kind of activity, foods and ingredients, tools and technologies as well as the thoughts that went into it. These categories help classify when, how and where in our everyday lives we engage with food and how technologies mediate this. Additionally, we hope these categories will help you writing your own personal Food Diary quickly and easily.

Enjoy writing your first entry!

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