Ankündigung: Veranstaltung „Cyborg Cooks in Frankfurter Küchen“

Multi-sensorische Aufführung im Ernst-May-Haus, 03. und 10. November 2023

| Event announcement: Multi-sensory performance at the Ernst-May-Haus, 03 and 10 November 2023

Hand mit Messer berührt Display einer digitalen Küchenmaschine
Mensch interagiert mit digitaler Küchenmaschine (Photo: Katharina Graf)

>> Wir bitten um Anmeldung vorab hier!

Auf unkonventionelle Art und Weise präsentieren wir erste Ergebnisse des ethnographischen Forschungsprojekts „Cyborg Cooks: Häusliche Nahrungszubereitung im digitalen Zeitalter“ unter der Leitung von Dr. Katharina Graf. In der historischen Umgebung der „Frankfurter Küche“ aus den 1920er Jahren, der ersten industriell-geplanten Einbauküche des Stadtplanungsprojekts Neues Frankfurt, interagieren Schauspieler*innen und moderne Küchenmaschinen und machen den Zuschauer*innen erfahrbar: Wer kocht hier eigentlich?

(See English version below)

Keine Zeit zum Kochen? Lust auf schnelle, aber gesunde Küche für den Alltag? Modernes Design für moderne Menschen? Mindestens hundert Jahre alt sind Überlegungen wie diese. Wenn sich auch Einiges in der Zwischenzeit verändert hat, Fragen wie diese, und ihre Antworten, bleiben überraschend konstant. Während im Frankfurt der 1920er Jahre elektrische Herde erfolgreich beworben wurden, sind heutzutage digitale Küchenmaschinen die Technologie der Wahl. Mitsamt Kühlschrank und Mikrowelle versprechen Küchentechnologien und effizient gestaltete Küchenräume seit über einem Jahrhundert die harte Arbeit kochender Menschen zu erleichtern. Doch wie steht es tatsächlich um die Zusammenarbeit von Küchenmaschine und Köch:in? Wer kocht heutzutage? Wie, und wo? Können digitale Technologien das immer wieder beworbene Versprechen einlösen alltägliche Arbeiten wie das Einkaufen oder das Zubereiten von Nahrung zu übernehmen? Wollen wir das überhaupt? 

Diesen Fragen geht das DFG-geförderte Forschungsprojekt Cyborg Cook: häusliche Nahrungszubereitung im digitalen Zeitalter am Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Goethe-Universität Frankfurt nach. Das kulturanthropologische Projekt stellt dabei viele historische Parallelen fest, die im Rahmen einer öffentlichen Aufführung im mayhaus der ernst-may-gesellschaft e.V. und in Kollaboration mit der HfMDK (Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt) am 3. und 10. November 2023 multisensorisch thematisiert werden. Tatsächlich ist das Musterhaus und seine restaurierte Frankfurter Küche bis heute Raum gewordenes Symbol dieser nach wie vor hitzigen Debatte. Anfang der 1920er Jahre unter Leitung von Ernst May im Rahmen des sozialen Wohnungsbauprojekts des Neuen Frankfurt entworfen, antizipierte die Frankfurter Küche den Erfolg der modernen Einbauküche. Bis heute symbolisiert und materialisiert sie nicht nur die Industrialisierung der häuslichen Küche in Deutschland und anderen industrialisierten Nationen seit dem frühen 20. Jahrhundert, sondern auch begleitende moralisierende Diskurse sowohl um den Platz und die Rolle der modernen Frau als auch von Technik bis hin zu künstlicher Intelligenz.

Die Frankfurter Küche war mit knapp 8m² viel kleiner als bisher übliche Wohnküchen. Wie fürs gesamte Haus, wurden die Bewegungsabläufe von Hausfrauen – denn es wurde nicht in Frage gestellt wer alltäglich den Haushalt schmeißt und kocht – akribisch beobachtet um Nutzungsreihenfolgen zu erstellen. Auf dieser Grundlage entwarf die österreichische Architektin Margarete Schütte-Lihotzky gemeinsam mit ihren Frankfurter Kollegen um Ernst May die erste Einbauküche. Die Arbeit der Köchin sollte, genau wie die des Fabrikarbeiters, einfacher, effizienter und hygienischer werden. Trotz anfänglicher Zweifel wurde die vollständig elektrifizierte Küche samt Elektroherd – seinerzeit eine absolute Neuheit im sozialen Wohnungsbau – schließlich akzeptiert. Damit etablierte sich der Gedanke, wonach moderne Raumgestaltung und Technologien den Großteil der harten Arbeit leisteten, während die Köchin mehr Zeit für „höherwertige“ Tätigkeiten zur Verfügung habe. Die Frankfurter Küche und der Elektroherd repräsentierten die moderne Frau und die moderne Familie, nicht zuletzt also die moderne urbane Gesellschaft. Wenn auch in anderem Gewand, versprechen heutige Küchendesigns und -technologien nichts anderes. 

Damals wie heute können Köch:innen als cyborg cooks bezeichnet werden, als Hybride aus Mensch und Maschine (im Englischen ein sogenannter cybernetic organism). Die mehr oder weniger intelligente Maschine ermöglicht es der Köchin ihre eigenen körperlichen Fähigkeiten zu erweitern, ob als einfacher Löffel zum Umrühren der Suppe, als Smartphone-App zum geobasierten online-shopping oder als smarte Küchenmaschine mit integriertem, algorithmisch vorgeschlagenem Rezept. Um diese Interaktionen zwischen Menschen und Maschinen, also von cyborg cooks, in der häuslichen Küche zu erforschen, und im Zuge dessen die oben aufgeworfenen Fragen zu beantworten, geht das seit 2021 laufende Cyborg Cook Projekt ethnografisch vor. Mittels teilnehmender Beobachtung, der wiederholten Teilnahme an alltäglichen Praktiken wie dem Einkaufen, der Zubereitung und der gemeinsamen Verköstigung, werden cyborg cooks erfahrbar und verstehbar gemacht. Dabei verwischt das Bild des cyborgs herkömmliche Grenzen zwischen Menschen und Maschinen, zwischen organischen und nicht-organischen Substanzen, zwischen Köchin und Koch und selbst zwischen häuslicher Küche und Küchen weltweit. 

In Anlehnung an die multisensorische Teilhabe an häuslichen Mensch-Maschine-Interaktionen wird die Aufführung im mayhaus erste Ergebnisse der Forschung künstlerisch darstellen. Im Laufe des Besuchs des mayhauses werden die Besucher:innen – zumeist selbst cyborg cooks – unwillkürlich Zeugen der körperlich-digitalen Nahrungszubereitung wie sie viele Haushalte in Deutschland zusehends prägen. Dabei setzen sie sich hautnah mit gängigen Themen wie Technologiebegeisterung oder -angst, mit geschlechtlichen Rollenverteilungen beim Kochen, mit der Bedeutung von Effizienz und Zeitlichkeit oder dem Wandel körperlichen Wissens auseinander. Dank des Schauplatzes dieser Aufführung werden diese Themen in einen einzigartigen historischen Kontext gesetzt, der es auch ermöglicht vergangene und gegenwärtige Praktiken und Diskurse rund um die häusliche Nahrungszubereitung kritisch in die Zukunft zu denken.

Praktische Infos zur Veranstaltung:

Wann? Jeweils von 16 bis 19 Uhr am 3. und 10. November 2023

Wo? mayhaus, Im Burgfeld 136, 60439 Frankfurt-Römerstadt

Wer? Alle Interessierten, egal ob Forschungsteilnehmer*innen, Studierende, Forscher*innen, Nachbarn, Mayhaus-Unterstützer*innen — alle sind Willkommen!

Wie? Kostenlos. Die Veranstaltung findet in deutscher Sprache statt und dauert eine Stunde. Es gibt mehrere Zeit-Slots. Wir bitten um Anmeldung vorab, da die Plätze limitiert sind:

>> Anmeldungen unter: https://www.eventbrite.com/e/cyborg-cooks-in-frankfurter-kuchen-tickets-731995427027

Kontakt bei Rückfragen: cyborgcook@protonmail.com

Verantwortliche: Dr. Katharina Graf, Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie, Goethe-Universität Frankfurt

(auch veröffentlicht in UniReport Ausgabe 05/2023)


>> English version here:

Cyborg Cooks in Frankfurt Kitchens

In an unconventional way, we present the first results of the ethnographic research project „Cyborg Cooks: Domestic Food Preparation in the Digital Age“ under the direction of Dr. Katharina Graf: In the historical setting of the „Frankfurt Kitchen“ from the 1920s, the first industrially planned built-in kitchen of the New Frankfurt urban planning project, actors* and modern kitchen machines interact and make it possible for the audience to experience: Who actually cooks here?

No time to cook? Desire for fast but healthy food for everyday life? Modern design for modern people? Considerations like these are at least a hundred years old. While some things have changed in the meantime, these questions, and their answers, remain surprisingly constant. While electric stoves were successfully promoted in 1920s Frankfurt, digital kitchen machines are the technology of choice today. Along with refrigerators and microwaves, such kitchen technologies and efficiently designed kitchen spaces have promised to make the hard work of cooking easier for more than a century. Yet, what about the actual collaboration between the kitchen machine and the cook? Who cooks these days? How, and where? Can digital technologies deliver on the repeatedly advertised promise of taking over everyday tasks like shopping or preparing food? Do we want that?

These are questions that the DFG-funded research project Cyborg Cook: Domestic Cooking in the Digital Age at the Institute of Cultural Anthropology and European Ethnology at Goethe University Frankfurt is investigating. In doing so, the anthropological project identifies many historical parallels, which will be addressed during a multisensory public performance at the mayhaus of the ernst-may-gesellschaft e.V. in collaboration with the HfMDK (Frankfurt University of Music and Performing Arts) on 3 & 10 November 2023. In fact, the model house and its restored Frankfurt Kitchen has become a symbol of this still heated debate. Designed in the early 1920s under the direction of Ernst May as part of the New Frankfurt social housing project, the Frankfurt Kitchen anticipated the success of the modern fitted kitchen. To this day it symbolizes and materializes not only the industrialization of the domestic kitchen in Germany and other industrialized nations since the early 20th century, but also accompanying moralizing discourses around both the place and role of the modern woman and technology, up to and including artificial intelligence.

The Frankfurt kitchen, at just under 8m², was much smaller than previously common open-plan kitchens. To create sequences of use for the entire house, the movements of housewives – because it was not questioned who would do the daily house work and cooking – were meticulously observed. On this basis, the Austrian architect Margarete Schütte-Lihotzky, together with her Frankfurt colleagues around Ernst May, designed the first fitted kitchen. The cook’s work, just like that of the factory worker, was to become simpler, more efficient and more hygienic. Despite initial doubts, the fully electrified kitchen, along with the electric stove – an absolute novelty in social housing at the time – was finally accepted. This contributed to cementing the idea that modern home design and technology did most of the hard work, while the cook had more time for „higher-value“ activities. The Frankfurt Kitchen and the electric stove represented the modern woman and the modern family, and thereby also modern urban society. Even if in a different guise, today’s kitchen designs and technologies promise nothing else.

Then as now, cooks can be described as cyborg cooks: hybrids of human and machine (a so-called cybernetic organism). The more or less intelligent machine enables the cook to expand her own physical capabilities, whether as a simple spoon for stirring soup, as a smartphone app for geo-based online shopping, or as a smart kitchen machine with an integrated, algorithmically suggested recipe. In order to explore these interactions between humans and machines, i.e. cyborg cooks, in the domestic kitchen, and to answer the questions raised above, the Cyborg Cook project takes an ethnographic approach. By means of participant observation, repeated participation in everyday practices such as shopping, preparation and eating, cyborg cooks are made tangible and understandable. In doing so, the image of the cyborg blurs conventional boundaries between humans and machines, between organic and non-organic substances, between woman and man, and between domestic kitchens and kitchens worldwide.

Based on the multisensory participation in domestic human-machine interactions, the performance in the mayhaus will artistically present the first results of this project. In the course of their visit to the mayhaus, the visitors – most of them cyborg cooks themselves – will witness the bodily-digital food preparation that is increasingly shaping many households in Germany. Through this multisensory event, they will experience common themes such as enthusiasm or fear of technology, gender roles in cooking, the importance of efficiency and temporality, or the transformation of embodied knowledge. Thanks to the unique location of this performance, these topics are historically contextualized, allowing us to think past and current practices and discourses around domestic food preparation into the future.

Pracitical information about the event:

When? From 4 to 7 pm each day on 3 & 10 November 2023

Where? mayhaus, Im Burgfeld 136, 60439 Frankfurt am Main

Who? All interested parties, whether research participants, students, researchers, neighbours, Mayhaus supporters — all are welcome!

How? Free of charge. The event will be held in german and lasts one hour. There are several time slots. Please register in advance as places are limited:

>> Registration link: https://www.eventbrite.com/e/cyborg-cooks-in-frankfurter-kuchen-tickets-731995427027

Contact: cyborgcook@protonmail.com

Dr. Katharina Graf, Institute of Cultural Anthropology and European Ethnology, Goethe University Frankfurt

(published in UniReport Edition 05/2023)

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