Performing Cyborgs? Forschungskommunikation für und mit der Öffentlichkeit

Schauspielerische Interaktion mit einer digitalen Küchenmaschine / (Inter)acting with a digital kitchen machine, Foto: Peter Kiefer

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Am 03. und 10. November 2023 fanden zum nahenden Projektabschluss unsere Veranstaltungen „Cyborg Cooks in Frankfurter Küchen“ statt. In historischer Umgebung des mayhauses belebten das Forschungsteam, zwei Schauspieler*innen und ein Thermomix erste Ergebnisse der ethnographischen Studie „Cyborg Cook: häusliche Nahrungszubereitung im digitalen Zeitalter“. In zwei ausverkauften Abendveranstaltungen erfuhren die insgesamt 70 Besucher*innen in einer multisensorischen Aufführung Forschung fernab von Redepult und langen Texten und ergründeten die Frage: Wer kocht hier eigentlich?

Denn das war auch eine der zentralen Fragen des Forschungsprojekts gewesen. Durch das unkonventionelle Programm wollten wir eine möglichst breite Öffentlichkeit erreichen, aber auch die Mehrschichtigkeit des Projekts erfahrbar machen. Zudem war es uns wichtig, in Austausch mit den Besucher*innen treten zu können. Und der bestmögliche Fall traf eine – alle drei Ziele haben sich erfüllt!

Wir haben ein durchmischtes Publikum jeden Alters willkommen geheißen, von 3 bis 80 Jahren: Forschungsteilnehmende und ihre Familien, Nachbar*innen aus anderen Mayhäusern, Interessierte und Studierende, Vertreter*innen der Frankfurter Museen und der ernst-may-gesellschaft, aber auch Kolleg*innen aus der Wissenschaft sowie Freunde. Das war auch möglich dadurch, dass wir für die Veranstaltung drei Slots pro Abend anboten: In Kleingruppen führten wir die Besucher*innen für jeweils eine Stunde durch das Programm.

Die ernst-may-gesellschaft öffnete dafür außerhalb von Besichtigungen und Führungen die Türen ihres Museums in der Frankfurter Römerstadt, dem mayhaus. Sie bot uns damit eine Kulisse, die von sich aus schon ein Publikumsmagnet ist und den historischen Aspekt des Forschungsprojekts sichtbar machen sollte: Herzstück des Reihenhauses aus den 1920er Jahren ist die berühmte Frankfurter Küche, ein Vorläufer industriell-geplanter Einbauküchen. 

Warum das alles? Entworfen wurde die Frankfurter Küche von der Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky im Rahmen des sozialen Wohnungsbauprogramms der Stadt Frankfurt unter Leitung von Ernst May. Dazu beobachtete Schütte-Lihotzky Hausfrauen bei der Arbeit und zählte deren Schritte. So wollte sie die effizienteste Anordnung der Küchenmodule herausarbeiten. Sie übertrug damit ein System aus der Industrie auf den Haushalt, der sogenannte Taylorismus, nach dem vor allem Fabriken entworfen wurden. Ähnlich verhält es sich heute mit digitalen Küchenmaschinen wie dem Thermomix: Ihre automatisierte Funktionsweise entspricht der großer Küchenmaschinen in Lebensmittelfabriken, nur in einem kleinen Maßstab.

Das mayhaus übersetzte sozusagen allein durch seine Materialität den vielschichtigen Zusammenhang zwischen technologischer und gesellschaftlicher Entwicklung und Alltagsleben, der auch im Cyborg Cook Projekt untersucht wurde – zumindest für uns Forschende. Damit der Zusammenhang auch für alle anderen klarer werden konnte, gab es im Austausch zwischen Besucher*innen und der Projektleiterin Katharina Graf eine Einführung ins Thema und in die Forschung. Im Anschluss fand die multisensorische Aufführung im Esszimmer und der Frankfurter Küche des Hauses statt.

Uns war wichtig in der Veranstaltung keine top-down Wissensvermittlung zu betreiben. Tatsächlich war der Austausch mit den Besucher*innen in Kleingruppen ein zentrales Element und wir erfuhren viel Interessantes. Zum Beispiel, dass bis auf eine Ausnahme niemand der Besucher*innen einen Thermomix besaß, trotz der zunehmenden Verbreitung des Geräts in den beforschten Haushalten. Dafür kam das Smartphone aber oft als Küchengerät zum Einsatz, auch wenn es nicht als solches wahrgenommen wurde. Zudem gaben fast alle männlichen Besucher an, selbst zu kochen. Eine Forschungserkenntnis des Projekts war jedoch, dass Frauen und fürsorgende Personen nach wie vor Hauptverantwortung für die Arbeit rund um die Küche haben. Die wahrgenommenen Widersprüche führten zu lebhaften Diskussionen zwischen Besucher*innen untereinander und im Austausch mit uns. 

Highlight der Veranstaltung war die multisensorische Aufführung. Für diese kooperierten wir unter der Leitung von Martin Nachbar mit zwei Studierenden der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt (HfMDK). Sie interagierten in einer Performance mit einem von uns mitgebrachten Thermomix, stellten ein Kräutersalz und einen warmen (alkoholfreien) Punsch her und ergründeten gemeinsam mit dem Publikum die Frage: Wer kocht hier? Und wer arbeitet für wen? Maschine für Mensch oder doch umgekehrt? Und wie sieht es mit dem Geschlechterverhältnis aus? Auch die Frage nach den Schritten, die beim Kochen mit dem Thermomix zurückgelegt wurden, zeigten Schauspieler*innen und Publikum: Von selbst kocht der Thermomix auch nicht. 

Bei der Aufführung waren die Besucher*innen voll dabei und es gab viel Applaus. Nach so viel kondensiertem Input innerhalb einer Stunde konnten die Besuchenden zum Abschluss auf der kleinen Terrasse des mayhauses den während der Aufführung zubereiteten Punsch probieren und sich bei belegten Broten über das Gesehene und Gehörte austauschen. Am Ende sorgte das mayhaus für eine fast familiäre Atmosphäre: Besucher*innen sagten, es fühle sich so an, als sei man in einem Wohnhaus zu Gast, deren Bewohner*innen nur gerade nicht zu Hause waren. Lichterketten, Punsch und Novemberwind taten ihr übriges und wir wurden gebeten, doch noch eine Wiederholung anzubieten. 

Insgesamt waren die Veranstaltungen ein voller Erfolg! Vielen Dank an Christina Treutlein und Juliane Geißler von der ernst-may-gesellschaft für die einzigartige Kulisse. Vielen Dank an Martin Nachbar, Laura Nikolich und Yannick Sturm für die kreative Gestaltung des Abends und ihren körperlichen Einsatz beim Schauspiel.

Einführung in die Forschung / Introducing the research; Foto: Peter Kiefer
Gespräche und Feedback im Garten des mayhauses / Talk and feedback in the mayhaus garden, Foto: Peter Kiefer

Performing Cyborgs?

Research Communication for and with the Public

On 3 & 10 November 2023 our events „Cyborg Cooks in Frankfurt Kitchens“ took place. In the historic setting of the mayhaus the research team, two actors and a Thermomix brought the first results of the ethnographic study „Cyborg Cook: domestic cooking in the digital age“ to life. In two sold-out events a total of 70 visitors experienced research in a multisensory performance far removed from the lectern and long texts and explored the question: who is actually cooking in everyday life?

This has been one of the central questions of the research project. Through the unconventional program, we wanted to reach a public as broad as possible, but also make the multi-layered nature of the project tangible. It was important for us to be able to engage with the visitors. And the best possible outcome was achieved – all three goals were fulfilled!

We welcomed a mixed audience of ages ranging from 3 to 80: Research participants and their families, neighbours from other mayhouses, interested individuals and students, representatives of other Frankfurt museums and the ernst-may-society, but also colleagues from academia and friends. This was also made possible by the fact that we offered three slots during each event: For one hour each and in small groups, we guided visitors through the programme.

Why all this? The Frankfurt Kitchen was designed by the Viennese architect Margarete Schütte-Lihotzky as part of the city of Frankfurt’s social housing program under the direction of Ernst May. Schütte-Lihotzky observed housewives at work and counted their steps. She wanted to work out the most efficient arrangement of kitchen modules and thus transferred a system from industry to the household, known as Taylorism, according to which factories in particular were designed. The situation resembles that of contemporary digital kitchen machines such as the Thermomix: their automated operation is similar to that of large kitchen machines in food factories, only on a much smaller scale.

Through its materiality alone, so to speak, the mayhaus translated the multi-layered connections between technological and social development and everyday life, as it was also investigated in the Cyborg Cook project. To make these connections tangible, principal investigator Katharina Graf introduced and discussed the topic and the research with each group of visitors. Afterwards, the visitors became part of a multisensory performance in the dining room and the Frankfurt kitchen of the house.

It was important to us that the event did not involve top-down knowledge transfer. In fact, the exchange with visitors in small groups was a central element of the event. We learned a lot. For example, with one exception, none of the visitors owned a Thermomix, despite its increasing prevalence in the studied households. At the same time, the smartphone was often used as a kitchen appliance, even if it was not initially perceived as such by its users. In addition, almost all male visitors stated that they cooked themselves. This stands in contrast to one of the project’s research findings, namely that women and carers still have the main responsibility for all work around food. The perceived contradictions led to lively discussions between visitors and the team.

The highlight of the event was the multisensory performance. We collaborated with two students from the Frankfurt University of Music and Performing Arts (HfMDK) under the direction of Martin Nachbar. In a creative performance they interacted with a Thermomix that we had brought along, made a herbal salt and a warm (non-alcoholic) punch and explored the following questions together with the audience: Who is cooking here? And who works for whom? Machine for human or vice versa? And what about gender equality? The many steps taken when cooking with the Thermomix also demonstrated to actors and audience that the Thermomix doesn’t cook by itself.

The visitors were fully engaged in the performance and there was much applause. After so much condensed input within an hour, the visitors were able to taste the punch prepared during the performance on the small terrace of the mayhaus and discuss what they had seen and heard over sandwiches. In the end, the mayhaus created an almost familial atmosphere: visitors felt as if they were guests in a house whose residents were just not at home. Fairy lights, punch and the November wind did the rest and we were asked to offer a repeat performance soon.

All in all, the events were a complete success! Many thanks to Christina Treutlein and Juliane Geißler from the ernst-may society for providing us with this unique scenery. Many thanks to Martin Nachbar, Laura Nikolich and Yannick Sturm for the creative performance and their physical commitment to the play.

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